... das Gute liegt so nah !




Ein treuer Freund des Volksblattes, dem der kategorische Imperativ in dessen Nummer vom 4. Mai imponiert hatte, schreibt uns über eine am ersten Maisonntag „rund um die Kirmes“ gemachte Wanderung begeisterten Bericht:

Ein herrlicher Maientag lockt in die Berge der nahen Eifellandschaft. Zwar sind es nur wenige Stunden, die uns zur Verfügung stehen, aber sie reichen aus, dem grauen Alltag eine lichte Sonnenseite auszuprägen und dem im harten Schaffen der Arbeitswoche ermüdeten Körper und Geist willkommene Erholung zu bringen. Wir wollen den schönen Sonntagnachmittag so recht genießerisch verleben und wandern im bequemen Spazierschritt einher, um das Grünen und Blühen in Wald und Feld, die frohen Weisen unserer gefiederten Sänger und vor allem die strahlende Sonne recht tief in unsere Seele aufzunehmen.

Wir stehen am Römerkanal hoch über Kreuzweingarten, in dem heute froher Kirmestrubel herrscht, und halten den ersten Rundblick in die gottgesegnete Landschaft. Zunächst fesselt das zu unsern Füßen inmitten des mit auserlesenem künstlerischem Geschmacke ausgebauten Friedhofes gelegene uralte Kirchlein; ihm soll unser Besuch am Ende der Wanderung gelten. Dann schweift das Auge abwärts zur Landstraße, auf der sich eine frohe Menschenmenge kirmesmäßig hin- und herbewegt, sodaß die sehr tätigen Schutzleute scharfe Aufsicht halten müssen, um an der gefährlichen Kurve inmitten des Dorfes Zusammenstöße mit den sehr zahlreichen durchfahrenden Autos zu verhüten. Hoch oben auf dem Burgberge ist das große Kreuz dicht umlagert von frohgesinnten Menschen; ihre Lieder klingen herüber und erwecken im Herzen einen frohen Widerklang. Wir schauen weiter in der Runde. Kirche und Burg von Kirspenich, umsäumt von den im Sonnenschein leuchtenden Häusern und Gärten, darinnen die Obstbäume in voller Blüte stehen. Arloff schließt sich in der Runde an, dann oben auf der Höhe das Kirchlein von Eschweiler, das Wahrzeichen unserer Gegend. Zwischendurch zieht sich die Landstraße nach Münstereifel und die glitzernde in zahlreicher Wassermenge dahinfließende Erft, und zum Abschluß auf den Höhen der breite Rücken des Hartenberges, die Münstereifeler Berge und als höchster von allen der Hirnberg. Es ist ein bezaubernd schönes Bild, diese abwechslungsreiche Landschaft im frischen, saftigen Grün der Felder und Wiesen, Wälder und Hänge und blühender Obsthaine.

Und nun der Römerkanal, die großzügigste Trinkwasserleitung aller Zeiten, der hier an verschiedenen Stellen offen liegt und als kostbares Denkmal der Vergangenheit würdig geschützt und gehegt wird. Der Römerkanal wurde im 1. Jahrhundert nach Christi Geburt erbaut und diente zur Versorgung der Stadt Köln mit gutem Eifeltrinkwasser, das aus den Quellen am Grünen Pütz in der Nähe der Rosentaler Mühle bei Urft gewonnen und in 78 Klm. langer Leitung über Berg und Tal nach Köln überführt wurde.

Unser Bild zeigt das Stück des Kanals, das vor Jahren in das Germanische Museum nach Nürnberg gebracht wurde. In dem Profil ist die Sinterschicht deutlich erkennbar, die sich im Laufe der Jahrhunderte - der Kanal war bis zum Jahre 450 in Betrieb - in der gemauerten Rohrleitung abgesetzt hatte. Der Kalksinter hat vielfache Verwendung gefunden, so zum Altartische in der Kreuzweingartener Kirche, und ist denn auch aus dem auf der langen Strecke vielfach aufgebrochenen Kanal herausgeholt worden.

Unser Weg geht über die Höhen zum Jagdschloß Broich meist durch Eichenwald, der stark in Knospen steht, aber noch keine Blätter getrieben hat. Hier und da leuchtet das frohe, lichte Grün der Buchen und Birken durch die braungraue Tönung de Eichenbestände hindurch. Nur noch wenige Wochen, dann werden auch sie die beglückende Auferstehung des Frühlings feiern. Schloß Broich liegt in vollster Sonntagsstille in einer wundersamen Waldesherrlichkeit. Man möchte gern hinein, aber ein Schild wehrt den Zutritt.


Haus Broich

Hier haben wir vor fünfundzwanzig Jahren einmal an einem Sonntag in der Frühe gestanden, als wir dem Halley'schen Kometen auf der Spur waren, der angeblich um die vierte Morgenstunde vom Billiger Berge aus tief am östlichen Horizont sichtbar sein sollte. Da unser Spähen von der Billiger Knipp aus vergeblich war, kämpften wir unsere Enttäuschung durch eine Wanderung in den Wald nieder und standen beim aufsteigenden Morgenrot zum ersten Male vor dem kürzlich erbauten schönen Jagdschlosse, dessen Terrasse uns damals zum Frühstück aus dem Rucksack geradezu einlud.

Heute wandern wir weiter dem Waldrande entlang durch die Schlucht des Mersbaches auf Kreuzweingarten. Vorher halten wir nochmal Umschau. Das Blickfeld hat sich erheblich vergrößert. Wir schauen Antweiler, Wachendorf, Calcar und gerade vor uns den Broicher Hof mit dem dahinter liegenden Calcarer Moor. Auch hier wieder Maienwonne und Sonnenglanz überall, prachtvolles Grün in Wiese, Wald und Feld! Nur das Moor erscheint noch grau getönt in dieser Farbensymphonie. Das Pflanzenleben scheint noch nicht erwacht zu sein.


Broicher Hof

Die Schlucht des Mersbaches galt in meiner Jugend als Nachtigallental - ob auch heute noch? Jedenfalls ertönt aus Busch und Baum ein vielstimmiges Konzert der übrigen Sänger, vielleicht als Präludium zu den abendlichen wunderbaren Darbietungen ihrer Königin. Hier läßt es sich gut leben, hier vereinigt sich alles; Naturschönheit, gesundes Klima, Vogelsang und Gottesnähe, zur Erbauung und Gesundung des erholungsbedürftigen Menschen.

Und nun noch ein Blick ins Gotteshaus auf Bergeshöh'. Wenn jemals das Wort des Dichters: „Es ladet den Pilger zum Beten ein“, Berechtigung gefunden hat, so ist dies beim Kreuzweingartener Kirchlein zutreffend, und so schließen wir die kurze schöne Wanderung mit einem Gebet zur Marienkönigin und dem eucharistischen Heiland. Kirche und Friedhof sind so oft beschrieben und gerühmt worden, daß sich eine Wiederholung erübrigt.

Der Abendzug, überfüllt von vielen hunderten von Ausflüglern, bringt uns wohlbehalten nach Hause. Sonne im Herzen, Sonne im Gemüte: Das ist das Geschenk des herrlichen Tages.

J.E.

Die aus dem Photo-Archiv des Volksblatt stammenden Bilder, von denen das oberste bereits beschrieben ist, zeigen in der Mitte das Schloß „Haus Broich“, unten den Eingang zum Broicher Hof.

Ergänzend folgende Artikel aus gleicher Ausgabe des EVB, gleiche Seite: Das Calcarer Moor und Ueber den Römerkanal


Entnommen: Euskirchener Volksblatt vom 18. Mai 1935
Illustriertes Volksblatt am Sonntag, Durch deutsche Gaue, Reise- und Wanderbeilage Nummer 1




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