Peter H. Irrgang

Pfarrkirche Heilig Kreuz zu Kreuzweingarten

Kirchenführer und Meditation











Was hat das Fegefeuer mit der hl. Helena zu tun?





















Nicht viele Leute werden wissen, daß das Bild in der alten Beichtkapelle unter dem Turm auf der Rückseite noch ein anderes Bild verbirgt. Vielen Kirchenbesuchern ist bekannt, daß in der Pfarrei zwei Bilder benutzt werden als Antependium, als Altarvorderteil. Das eine zeigt die Szene der Kreuzauffindung und Kreuzerhöhung. Es steht vor der Mensa des Altares in der Festwoche von der Kleinkirmes. Das andere Bild zeigt eine symbolische Darstellung des "Reinigungsortes" oder, wie manche auch sagen, des Fegefeuers. Es hängt in den ersten zwei Wochen des Monates November vor dem Altar. Beide Bilder sind auf dieselbe Leinwand gemalt. Das eine auf die Vorder-, das andere auf die Rückseite.











Die hl. Helena hat nach überlieferter Aussage das echte heilige Kreuz am 14. September 324 gefunden. Die Erzählung berichtet vom Problem, das richtige Kreuz aus den drei ausgegrabenen Kreuzen herauszufinden. Eine unheilbar Kranke wurde auf die Kreuze gelegt. Beim dritten Kreuz wurde sie augenblicklich geheilt. So war klar, daß dies das Kreuz unseres Herrn war. Die fromme Geschichte ist auf unserem Bild dargestellt. Das richtige Kreuz wird aufgerichtet und mit tiefer Ehrfurcht angebetet. Tatsächlich verehren wir die Kreuzpartikel mit einer Kniebeuge. Eine Kreuzreliquie wird also anders behandelt als andere Reliquien.

Ich finde es großartig, daß unsere Pfarrei diese Darstellung besitzt, Rokokostil von einem unbekannten Künstler, Mitte des 18. Jahrhunderts. Bischöfe und Priester und höfische Gefolgschaft sind Zeugen der Auffindung des Kreuzes.











Eine ganze Kirche huldigt Gott für den glücklichen Fund. Die Darstellung ist schön ausgeführt und regt zur Frömmigkeit an. Die hl. Helena hat nicht nur das Kreuz gefunden. Sie muß eine der ganz großen Gestalten des späten Altertums gewesen sein und stammt einer Legende gemäß aus einem britannischen Fürstengeschlecht. Als Kaisermutter - sie trägt selber den Titel Kaiserin - setzt sie ihre ganze Autorität für die Freiheit der Kirche ein. Schließlich nutzt sie ihre Möglichkeiten aus, um viele Kirchen zu bauen und die wichtigsten Reliquien von Jerusalem nach Konstantinopel und Rom zu schaffen.











Wie wünschte ich, daß moderne Frauen sich ähnlich für die Kirche einsetzen würden. Viele tun es ja. Es gibt aber leider auch Beispiele totaler Unterwürfigkeit moderner Frauen unter den Zeitgeist.

Die kaiserliche Würde ist manchen Frauen restlos abhanden gekommen, so daß sie nicht das Kreuz suchen und es aufrichten in unserer Gesellschaft, sondern falsche Throne errichten und Götzen anbeten, die ihnen aufgedrängt werden. Müssen die Frauen schon wieder das Opfer sein wie einst Eva'? Männer, was bürdet ihr da den Frauen auf!

Das Bild der Kreuzauffindung kann zum Glück in der alten Beichtkapelle betrachtet werden. Viele wissen gar nicht, daß es dort hängt. Eine längere Betrachtung der dargestellten Szene lohnt sich immer.

Die hl. Helena ist eine faszinierende Persönlichkeit.











Ganz anders verhält es sich mit der Darstellung des Fegefeuers auf der Rückseite des Bildes. Es scheint aus einer späteren Zeit zu stammen. Vielleicht vom Ende des 18. Jahrhunderts. Auch hier ist uns der Künstler nicht bekannt.

Die Personen im Fegefeuer sind allegorisch als Menschen dargestellt, die an einen großen Holzpflock angekettet sind und unter dem reinigenden Feuer sichtlich leiden. Die Blicke der armen Seelen des Reinigungsortes sind gerichtet auf einen Meßkelch, der klein über der ganzen Darstellung schwebt.











Es ist ein Hinweis auf die Wirksamkeit des heiligen Meßopfers, das, für die Verstorbenen dargebracht, eine Abkürzung der Leiden im Reinigungsort bedeutet. Die ganze Lehre des Fegefeuers und des Gebetes -einschließlich des Ablasses- für die Verstorbenen kommt hier zum Tragen. Manche finden sich in diesem Glaubenssatz nicht zurecht. Das kann ich verstehen. Deshalb ist es angebracht, öfters darüber zu predigen. Ich benutze dabei gern das andere Wort: Reinigungsort. Es ist der Ort der Läuterung, der Vorbereitung auf die herrliche Anschauung Gottes. Darüber können wir freilich noch viel weniger Konkretes aussagen. Paulus drückt es so aus: "Was kein Auge je gesehen, kein Ohr je gehört, was keinem Menschen je in den Sinn gekommen ist, das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben!" (1 Kor 2,9). Diese Worte singen wir so gerne im Adventslied "Wachet auf, ruft uns die Stimme".











Und der Reinigungsort? Dort hoffe ich, all das läutern zu können, was ich auf Erden nicht in Ordnung bringen konnte. Es ist ein überaus trostreicher Gedanke, daß ich nicht verstaubt und verschmutzt in den "Hochzeitssaal des Lammes" treten muß! Auch zu einer irdischen Hochzeit schleiche ich mich lieber durch den Hintereingang in das Badezimmer, wenn ich mich auf dem Weg zum Fest beschmutzt haben sollte. Ich möchte gern diese Läuterung auf mich nehmen. Etwas Besseres könnte mir kaum passieren. Ja, doch! Gleich in den Himmel kommen!

Erstaunlich, wieviele Menschen sich immer mehr dem Unsinn der Wiedergeburt verschreiben. Damit zerstört man letztlich die Würde des Menschen. Nicht nur "neues Spiel, neues Glück" wird da "gepredigt", sondern auch der Mensch wird nicht mehr ernst genommen. Was muß ein Hitler noch alles tun, so könnte man polemisch fragen, damit er in die Hölle "kann"? Er wird nach jener Theorie eben wiedergeboren. Hier führt sich eine ganze Weltreligion ad absurdum. Die Lehre der Wiedergeburt kann nicht nur zum Atheismus, sondern auch zur Menschenverachtung führen. Mutter Teresa von Kalkutta hat sich nicht nur der Sterbenden und der Verachteten verschrieben, sie ist auch ein leuchtendes Beispiel für die Barmherzigkeit Gottes, der sich besonders der Schwächsten annimmt. Sie müssen nicht wiedergeboren werden.











Zusammengefaßt heißt es für den stillen Beter in der Kirche: Denk daran, daß auch du eines Tages Rechenschaft vor Gott ablegen wirst! Habe keine Angst davor! Das Bild der armen Seelen im Fegefeuer ist kein martialisches, kein abstoßendes Bild. Habe also keine Angst, erschrick nicht angesichts dieser Darstellung! Werde dir aber deiner Verantwortung bewußt: "Macht euch bereit zu der Hochzeit!", singen wir im Adventslied. Das Leben hier auf der Erde ist kurz: "Memento mori - Denke daran, daß du sterben wirst!" Und bete für die, die dir vorausgegangen sind. "Memento mortuorum - Gedenke der Verstorbenen!"

Ich wundere mich immer wieder, wie oft sogar Christen aus lauter Angst vor Fegefeuer und Hölle die Priester bestürmen, nicht über diese "letzten Dinge", wozu auch der Himmel gehört, zu predigen. Unser Evangelium sei doch, so argumentieren sie dann, keine Drohbotschaft. Mich überraschen solche Argumente. Darf etwa eine Mutter ihrem Kind nicht mehr sagen, daß es die Finger von der heißen Herdplatte nehmen soll, weil dies als Drohung aufgefaßt werden könnte? Die Mutter muß warnen und auf die Realitäten aufmerksam machen. Aber ein Kind kann wenigstens aus einem möglicherweise reparierbaren Schaden lernen. Und ich soll als Priester nicht mehr warnen vor einem möglicherweise unreparierbaren Schaden? Eine "ungehorsame" Seele kann jedenfalls nicht mehr daraus lernen.

Die Existenz der Hölle soll nicht zur Angst führen, sondern zu einem verantwortungsbewußten Leben, zu einem Leben als reifer Christ, also zu einem Leben als echter Christ. Andernfalls würde man ein leider viel zu oft zu beobachtendes kindisches Gehabe an den Tag legen. Bei manchen "erwachsenen Christen" habe ich den Eindruck, sie würden nie erwachsen werden.

Hier aber ist nicht die Hölle, sondern das Fegefeuer dargestellt. Die armen Seelen bitten uns, daß wir für sie beten und in der hl. Messe ihrer gedenken, damit die Zeit der Läuterung im Reinigungsort abgekürzt werde. Die Bitte steht links in lateinischer, rechts in deutscher Sprache geschrieben: "Miseremini nostri saltem vos amici mei - erbannt euch meiner, wenigstens ihr, meine Freunde!" Der Satz, aus dem Buch Hiob (19,21) entnommen, enthält im lateinischen Text einen Schreibfehler, der die Bitte noch eindringlicher erscheinen läßt. Das "Miseremini" schreibt man eben nicht mit zwei "s".

Die Verstorbenen brauchen nicht so sehr unsere Grabpflege, sondern viel mehr unsere Gebete. Sie nennen uns ihre Freunde. Oft besteht leider die "Freundschaft" nur in nostalgischem, manchmal auch krankhaftem Hängen an Erinnerungen. Nicht der Friedhof ist der Ort der Erlösung, sondern der Altar, auf dem sich täglich das Erlösungsopfer unseres Herrn vergegenwärtigt.

Wenn im Monat November das Antependium mit der Darstellung des Läuterungsortes vor den Altar gestellt wird, dann ist dies ein guter Zeitpunkt, sich über die sogenannten "letzten Dinge" in Ruhe Gedanken zu machen. Manch eine ernstzunehmende Kehrtwende im eigenen Leben läßt sich zurückführen auf die Betrachtung über den Tod. Wer von uns bedarf nicht solcher Stunden der Besinnung auf das eigentliche Ziel unseres Lebens?











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