Peter H. Irrgang

Pfarrkirche Heilig Kreuz zu Kreuzweingarten

Kirchenführer und Meditation











Ein neues Gebot gebe ich Euch











Der Herz-Jesu-Altar hat eine Geschichte, die es zu würdigen gilt, und an der teilzunehmen ich herzlich einladen möchte.

Als 1660 unsere Kirche erweitert wurde, fertigte man auch die drei Altäre an. Allerdings standen sie anders. Die Kanzel stand an der südlichen Seitenwand, im vorderen Drittel des Hauptschiffes, etwa auf der Höhe der Statue der hl. Margareta. Die Seitenaltäre, also der Herz-Jesu-Altar und der Marienaltar standen quer zur Ecke, rechts und links neben dem Triumphbogen.

Bei den Restaurierungsmaßnahmen (1988/89) konnten wir nachweisen, daß der Herz-Jesu-Altar wohl im vorigen Jahrhundert viel schmaler gemacht worden ist. Er wurde einfach in der Mitte aufgeschnitten und schmaler wieder zusammengefügt. Dann mußte man eine Nische in die Wand brechen, damit die Conche (Muschel) des Altares in die Mauer paßte. Allerdings wissen wir nicht, welche Figuren ursprünglich in diesen beiden Altären standen. Weder das Vesperbild (die Schmerzhafte Mutter Gottes), das erst unter Pfr. Nikola Reinartz zu uns kam, noch auch die Herz-Jesu-Statue selbst waren damals vorhanden, vermutlich stand dort die hl. Margareta.

Daß unsere beiden Altäre nunmehr einen nie dagewesenen Glanz, eine nie gekannte Vollendung erfahren haben, das verdanken wir der Gemeinschaftsleistung einer Reihe von Personen, die uns bekannt sind, und einer Reihe von Spendern, die uns nur zum Teil bekannt sind. Gott kennt sie. Der beste Dank kann eigentlich nur das Gebet für sie alle zum Herzen Jesu sein mit der Bitte, all die Liebesmühe mit seiner göttlichen Liebe zu vergelten.











In der Mitte des Altarvorderteiles nimmt ein holzgeschnitztes Herz aus der Barockzeit mit seinem neu hinzugefügten Strahlenkranz einen Großteil der Vorderfront ein. Es weist wuchtig und passend auf das Thema des Altares hin. Der massiv gehaltene Altartisch ist schwerer im Gewicht als der ganze übrige Altaraufbau mitsamt Säulen.

Immer muß das Fundament stark sein, tragfähig für den jeweiligen Aufbau. Hier am Herr-Jesu-Altar bedeutet es: Ohne ein gutes, menschliches Fundament entwickelt sich keine wahre Liebe zu Gott, oder aber sie wird unnatürlich, unecht. Anders gesagt: Wenn die menschliche Grundlage stark ist, dann wird auch die Herz-Jesu-Verehrung echt sein und somit die tiefste Ausdrucksweise der Liebe zu Gott erreichen.

Umgekehrt gesehen: Gott selber wurde Mensch. Die Liebe Gottes, das Wort Gottes, hat Fleisch angenommen und unter uns gewohnt. Seine edle Menschheit ist so kraftvoll, so anziehend, so stark, daß wir den Altartisch gar nicht so grazil und "weich" nachbilden wollten, wie er früher einmal war.

Im übrigen waren die Teile des Altartisches nicht mehr vorhanden, wir haben nur Photos vom Tisch des Herz-Jesu-Altares. Ohnehin war auch dieser Tisch nicht der Originalaltar aus dem 17. Jahrhundert. Wir haben aber wieder einen Altarstein eingelassen, wie es früher war.











Auch die Säulen haben ihre eigene Geschichte. Durch die Veränderung des Altares, wohl im vorigen Jahrhundert, sind auch die Säulen um eine gute Handbreite verlängert worden. Doch dieser Zusatz war vom Holzwurm befallen und zu Holzmehl "verarbeitet" worden: mehr Staub als Eiche. Ein Bild der Hinfälligkeit des Menschen... Wir haben aber die Stelle nicht geflickt, denn "eine Säule muß aus einem Stück sein". Wir Menschen möchten ja auch aus einem Guß sein, oder? So haben wir denn beim "Gesunden" geschnitten und ein neues Drittel hinzugefügt als eigene Einheit. Ja, manchmal muß man beim "Gesunden" schneiden, wenn man das Ganze retten will. Das wissen nicht nur Chirurgen und Restauratoren.











Dieses untere Drittel wird eingeschlossen von jeweils drei Akanthusblättern, die in Ihrem unteren Teil in einer Maske auslaufen, der sogenannten Blattmaske. Herr Vus hat sie sehr schön geschnitzt. Als Säulenansatz stellen sie die bösen Mächte, also die Teufel, dar. Das bedeutet, daß die dämonischen Mächte gebannt sind und sogar gegen deren Willen in Dienst genommen werden. Das ist sogar tief theologisch. Als Christus gekreuzigt wurde und sein Herz durchbohrt war, hat die Hölle nur scheinbar triumphiert. Die Henker haben gegen ihren Willen dem Erlösungswerk gedient. Der Triumph liegt auf der Seite Jesu. Ja, sein Erlöserherz triumphiert über die Hölle. Daher die Masken unten am Sockel der Säulen des Herz-Jesu-Altares. Sie lachen wider Willen.

Rocaille nennt man den von den Säulen umrahmten oberen Teil der Nische in Form einer Muschel. Die Rocaille war der erste Teil des ganzen Altares, der restauriert wurde. Sie war unser Herzstück! Sie war auch am schwierigsten in der handwerklichen Ausführung. Jede Rippe der Muschel ist ein eigenes Stück (selber meist zwei- oder dreiteilig), eine unverwechselbare Einzelanfertigung! Wie wir Menschen auch...











Der Altar war in einem dermaßen schlimmen Zustand, daß kein einziges Teil in der Muschel geblieben war. Die Rippen lagen durcheinandergeworfen in einer Kiste. Es war nicht einfach herauszufinden, wo welche Rippe hinpaßte. Schließlich fehlten auch einige Rippen. Mühsames Probieren brachte nach vielen Arbeitsstunden eine denkbare Lösung.

Bei uns Menschen ist es ja oft genug ebenso. Ohne die barmherzige Liebe Gottes, die alles zusammenhält, sind wir nichts anderes als ein "abgesprengtes Stück", ohne Halt in sich und ohne Verbindung zu den anderen. Jetzt versteht man vielleicht besser, warum wir den Muschelkern, der die Rippen zusammenfaßt und hält, vergoldet haben. Er ist nur wenig zu sehen, weil das Haupt der Christusfigur diesen Teil etwas abdeckt. Es ist Christus, der uns zusammenhält, jeden einzelnen und alle miteinander.

Der alte Strahlenkranz des Herz-Jesu-Altares war beim Umbau in den fünfziger Jahren unter Pfarrer Wammers über dem Hauptaltar angebracht worden. Dort bleibt er. Den früheren Strahlenkranz fanden wir im Schafstall des Pastorates. Er war viel zu grob und zu groß. Er war auch nicht barock. Auf alten Photos sieht man das. So mußte nun für den Herz-Jesu-Altar etwas Neues gefunden werden. Herr Minn brachte bald eine schön geschnitzte Imitation aus der Barockzeit: ein aufgeschlagenes Buch. Die Strahlen haben Kinder und Jugendliche in Fellbachs Werkstatt gebastelt. Das aufgeschlagene Buch enthält einen lateinischen Satz:

Mandatum novum do vobis (Joh 13,34) - Ein neues Gebot gebe ich euch.

Dieses "Mandatum novum" ist eine ganze Predigt. Der Platz hier reicht nicht aus, um all das darzulegen, was hier angedeutet ist. Der ganze Text dieses Mandatum novum ist in den Versen 34 und 35 wiedergegeben:

"Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr einander liebt;
wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.
Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid,
weil ihr einander liebt. "

Es stellt eine ganz wichtige Ergänzung dar zu dem, was als Wortspiel auf der Frontseite des Ambo steht. Hierzu gibt es in diesem Heft einen eigenen Artikel. Dort heißt es übersetzt: "Komm, wenn du liebst, weh, wenn du nicht liebst." Unsere ganze Predigt läßt sich so einfach zusammenfassen: Lerne zu lieben, wie unser Herr geliebt hat.

Von Jesus lernen... Versuchen wir aus der Betrachtung des Herz-Jesu-Altares dieses Lehrstück zu lernen. Er selber sagt uns ja: "Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen." Später unterstrich er seine Aussage im Abendmahlsaal mit der Fußwaschung. Danach erklärt er den Aposteln sein Verhalten: "Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr einander so tut."

Das Neue Gebot, das Mandatum Novum, ist aber nicht etwa die Liebe, das war schon im Alten Testament von Gott geoffenbart worden, sondern das Maß der Liebe: "Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben."

Der Maßstab ist neu und geradezu unerreichbar. Wir müssen uns schon ganz von Gott erfüllen lassen, um so sehr lieben zu können, wie er es getan hat. So heißt es in einem Stoßgebet: "Bilde unsere Herzen (mein Herz) nach deinem Herzen!" Ein schönes Gebet.

Betrachten wir die Herz-Jesu-Statue selber. Sie wurde angefertigt von Alexander Iven aus Köln im Jahre 1900, massiv aus Holz, wohl Birkenholz, trotzdem erstaunlich schwer. 1987 wurde sie farblich neu gefaßt. Besonderen Wert legte ich auf die "Vermännlichung" des Antlitzes Jesu. Die Züge waren etwas zu weich gewesen. Die metallene rote Farbgebung des Mantels war nicht nur klebrig beim Anfassen, sondern im übertragenen Sinn auch beim Anschauen. Die jetzige Fassung scheint mir gelungen zu sein.

Es ist auch nicht ganz einfach, die Liebe Gottes zu uns, die "Fleisch geworden" ist durch den Sohn, die wir symbolisch mit dem Begriff "Herz Jesu" auszudrücken versuchen, figürlich darzustellen. Es wird immer problematisch bleiben, Symbolisches mit all den angedeuteten Inhalten konkret darzustellen.

Lassen wir also einfach alles weg, was eine echte und ganz natürliche Herz-Jesu-Verehrung stören könnte, nehmen wir sie dann aber auch ernst. Um einen Zugang zu finden zu dem, was Herz-Jesu-Verehrung meint, will ich noch drei Gedanken nennen:

  1. Unabhängig von den verschiedenen Kulturen hat man das Herz immer symbolisch für die Person-Mitte verstanden, innerster Kern einer Persönlichkeit. Hier noch einige sinnige Aussagen zu diesem Thema:

    "Was ich weiß, kann jeder wissen. Mein Herz habe ich für mich allein"(Goethe)
    "Das Herz hat seine Gründe, die der Verstand nicht kennt"(Pascal).
    "Wohl dir, wenn die Vernunft immer im Herzen dir wohnt“(Schiller)
    "Wem Kopf und Herz sich widersprach, tät doch das Herz zuletzt entscheiden.“
    „Der arme Kopf gibt immer nach, er ist der klügere von beiden." (Heyse)

  2. Auch die hl. Schrift weiß vieles zu diesem Thema zu sagen. Das Herz Jesu, das Herz unseres Erlösers, als Quelle lebendigen Wassers, wird bildlich vorgeprägt durch das Wasser, das Moses aus dem Felsen schlug. Aus dem durchbohrten Herzen Jesu am Kreuz flossen Blut und Wasser zugleich. Jesus sagt es so: "Wenn jemand dürstet, komme er zu mir und trinke"(Joh 7,37). Das Herz des Erlösers wird mehrfach im Alten Testament angedeutet, so z.B. im 40. Psalm, Vers 9, den Paulus aufgreift und auf Jesus bezieht:

    "Deinen Willen zu tun, mein Gott, begehre ich,
    und dein Gesetz ruht mir mitten im Herzen."

  3. Schließlich entwickelt sich aus den hier nur angedeuteten biblischen Gedanken die Herz-Jesu-Verehrung im Laufe der Jahrhunderte, bis sie durch die begnadeten (mystischen) Schauungen eines hl. Johannes Eudes und ganz besonders einer Maria Magdalena Alacoque zur Reife gelangte. Dazu kommen die Volksfrömmigkeit, die Herz-Jesu-Brüderschaften, die päpstlichen Lehrschreiben (besonders Plus XI: Miserentissimus Redemptor) und schließlich die liturgischen Formen der Herz-Jesu-Verehrung, so z.B. das Hochfest des heiligsten Herzens Jesu am Freitag nach der Fronleichnamsoktav. Erinnert sei noch an die Herz-Jesu-Sühne-Freitage (jeweils am 1. Freitag im Monat) und die Beichte und hl. Kommunion zu diesem Anlaß und Anliegen: Sühne aus Liebe.

Manch weitere Gedanken können in uns aufkommen, wenn wir vor dem Herz-Jesu-Altar beten und danken für Gottes Liebe zu uns:

Liebe vergilt man mit Liebe.











... Eine starke Ecke











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