Everhard Boßhammer / Ein rheinischer Landdechant (1594/1672)
von Pfarrer Corsten, Köln-Raderberg


Zum 400. Geburtstag von Everhard Boßhammer

Herausg. Kath. Kirchengemeinde Heilig Kreuz zu Kreuzweingarten





















II. Boßhammer als Pfarrer in Weingarten und Cuchenheim


Weingarten (wie auch Cuchenheim) gehörte bis zur französischen Zeit zum Dekanat Zülpich. Als neuernannter Pfarrer von Weingarten muße Boßhammer nach den Zülpicher Dekanatsstatuten (8) unter Vermeidung einer Strafe von 2 Fl. innerhalb eines Jahres dem Capitel beitreten, dem Dechanten Gehorsam und treue Verfolgung des Statuten schwören. Nach Ausweis des Capitelsbuches wurde Boßhammer noch im selben Jahre 1620 bei der nächsten Capitelsversammlung, am Dienstag nach St. Lukas, am 20. Oktober, ins Capitel aufgenommen (immatriculiert), nachdem er den Eid geschworen und die üblichen Geschenke gegeben: Ingwer und Pfeffer (später in Geld umgewandelt: 12. denarius facientes 4 marcas Col.) an den Dechanten und die beiden Kämmerer, ein Sextar Wein an die Capitulare zum Willkommen (pro jucundo adventu).

Der junge Pfarrer wohnte als Stiftsvikar in Münstereifel und ging an Sonn- und Feiertagen hinüber nach Weingarten. Von seiner dortigen seelsorglichen Tätigkeit wissen wir nur, was er in der Altar-Stiftungs-Urkunde berichtet: „Das Fest des hl. Kreuzes wird in der Pfarrkirche zu Weingarten unter zahlreichen Beteiligung aus unserem ganzen Lande gefeiert, so daß die Kirche die Menge nicht fassen kann, und der Pfarrer von den Pilgern, die zum Beichten kommen, fast erdrückt wird.“ Auch die alten Bruderschaften, die der korporative Geist des Mittelalters geschaffen, hat Boßhammer durch rege Mitarbeit gefördert. Von der in Weingarten bestehenden Bruderschaft vom hl. Kreuz und der schmerzhaften Mutter rühmt eine päpstliche Ablaßbulle (datiert 8. März 1663), daß deren Brüder und Schwestern sehr viele Werke der Frömmigkeit und Nächstenliebe zu verrichten pflegen.

Daß Boßhammer 1624 in die Liebfrauen-Bruderschaft zu Euskirchen und 1626 in die Sebastianus-Bruderschaft zu Cuchenheim aufgenommen wurde, erfahren wir aus den gleichzeitigen Eintragungen in die betreffende Bruderschaftsbücher. Von allen Bruderschaften der alten Erzdiözese Köln sind wohl wenige zu solcher Blüte und zu solchem Ansehen gelangt wie die Erzbruderschaft Unserer lieben Frau und der hl. Jungfrau Katharina, die um 1340 in Euskirchen gegründet, in Euskirchen ihren Sitz und ihre regelmäßigen Versammlungen hatte. Dem Geiste gegenseitiger brüderlicher Liebe dienten die vorgeschriebenen täglichen Gebete, die Armenspenden, die Krankenbesuche und besonders die jährlich viermal stattfindenden Versammlungen.

Außer dem Erzbischof von Köln, Dietrich von Mörs, traten fast alle Pfarrer des Dekanates Zülpich und weit über dessen Bereich hinaus dieser Bruderschaft bei, die Äbte von Cornelimünster, der Generalvikar Joh. Gelenius und andere glänzende Namen. Seitdem auch Laien zugelassen wurden, finden wir im Mitgliederverzeichnis auch zahlreiche Angehörige des alten rheinischen Adels: von Bourscheid, von Nesselrode, von Dardenberg, von Pallant, von Gymnich, von Harff, Wolff Metternich zur Gracht und viele andere. An der Spitze der Bruderschaft stand der jährlich neu zu wählende Brudermeister.

Nachdem Boßhammer die vorgeschriebene Wartezeit (drei Jahre) und Probezeit (ein Jahr) bestanden, wurde er 1624 aufgenommen und schon bald dreimal hintereinander (1628 bis 1931) zum Brudermeister gewählt. Diese Euskirchener Bruderschaft und der dortige Freundeskreis mag ihn wohl 1627 veranlaßt haben, die dicht vor den Toren von Euskirchen gelegene St.-Lambertus-Pfarre in Cuchenheim zu übernehmen. Von nun an hatte der 17. September für ihn in jedem Jahr eine dreifache Bedeutung: dieser Tag war das Fest seines Pfarrpatrons, des hl. Lambertus, sein Geburtstag und sein Weihetag. Darum wählte er auch, wie er ausdrücklich erklärt, diesen Tag, um sein Testament zu machen. Das war im Jahre 1629, in dem er zum erstenmal in allem Ernst und in aller Form sich zum Sterben rüstete.

Damals, in den Jahren 1629 und 1630, wütete im ganzen Jülicher und Zülpicher Lande die Pestseuche, die allerorts zahlreiche Opfer forderte. Im ersten Pestjahr ließ Boßhammer eine blaue Casel anfertigen pro funere. Mit dieser Casel bekleidet, wollte er beerdigt werden; sie hat als priesterliches Sterbekleid immer bereit gelegen, als Memento mori ihn ständig an die einstige Verantwortung gemahnend. Jene Seuche war von den Truppen eingeschleppt, die damals auch unser Gebiet heimsuchten. Es war ja die schreckenvolle Zeit des Dreißigjährigen Krieges. All den Jammer und all das Elend jener Zeit hat Boßhammer miterlebt: die Dörfer niedergebrannt, die Bewohner ausgeplündert, mißhandelt oder gar erschlagen.

Da flüchteten die überlebenden Landbewohner mit ihrer beweglichen Habe, wie auch die Landgeistlichen, in die nächstgelegenen Städte und Burgen: die Bewohner von Cuchenheim mit ihren Geistlichen nach Euskirchen, die anderen nach Münstereifel, nach Zülpich, Lechenich, Schloß Bollheim (9). Aber auch diese befestigten Orte wurden schon bald von wilden Kriegshorden besetzt und deren Bewohner unmenschlich drangsaliert. 1646 hat sich in Cuchenheim wieder eine kleine Gemeinde gesammelt. Der größere Kurkölnische Ortsteil gehörte zur St. Nikolauspfarre, der kleinere Jülicher zur St. Lambertuspfarre. Die beiden Regenten, der Kölner und der Jülicher, suchten ihren Landen zu helfen soviel sie konnten. Beide förderten und empfahlen aufs nachdrücklichste die von den Jesuiten gehaltenen Volksmissionen (10), weil sie in diesen ein wirkliches Mittel erkannten, um der allgemeinen sittlichen Verwilderung zu steuern.

P. Henning Cnel, der die sogenannte Erzbischöfliche Kölnische Mission im Jahre 1646 leitete, hat uns in den üblichen Jahresberichten eine kurze Schilderung derselben hinterlassen (11). Die Missionare kamen am 6. Oktober nach Esch, wo der Pfarrer ihnen große Schwierigkeiten bereitete, und dann nach Cuchenheim (7. und 8. Oktober). Hier wurden sie von beiden Pfarrern mit offenen Armen aufgenommen.

Heute noch können wir aus der Schilderung des Briefschreibers seine lebhafte Freude über den herzlichen Empfang und die verständnisvolle Mitarbeit dieser beiden trefflichen Männer (urtriusque optimi viri) mitempfinden. „Hier wurden fünf Predigten gehalten, 178 Personen die Sakramente gespendet und schließlich die Christen-Bruderschaft eingeführt unter freudigster Teilnahme der beiden Pfarrer und der ganzen Gemeinde, Auf die Kunde von dem segensreichen Wirken der Missionare kamen schon in aller Frühe des 8. Oktober viele Bürger aus dem nahen Euskirchen und Cuchenheim, um dort bei den Missionaren zu beichten. Da zeigten sich plötzlich feindliche Truppen, die die Stadt umzingelten. Hierdurch erschreckt, kehrten jene Bürger eilends in die Stadt zurück. Alles war von Furcht erfüllt, und uns war die Möglichkeit weiteren Wirkens abgeschnitten. Wir flüchteten nach Münstereifel, um da zu warten, bis die Stadt Euskirchen, von dem kalvinistischen Militär befreit, ihrem katholischen Landesherren zurückgegeben würde.

Es waren hessische und französische Truppen, welche damals die linksrheinischen Lande mit Schrecken erfüllten. Neben vielen anderen Ortschaften ging auch Zülpich am 27. Februar 1647 in Flammen auf: 114 Häuser nebst Rathaus und Martinskirche wurden an jenem Tage in Asche gelegt (12). Aus diesem Schreckensjahr ist uns im Siegburger Dekanatsarchiv ein interessanter Bericht erhalten, den Boßhammer im Namen und Auftrag des hochbetagten Zülpicher Dechanten, als Camerarius verfaßt hat (13).


III. Boßhammers Wahl zum Kämmerer und Dechanten


Zum 400. Geburtstag - Everhard Boßhammer von Pfarrer Corsten
Texte und Veröffentlichungen Kreuzweingartens ©
Religion und Kirche in der Kirchengemeinde Kreuzweingarten-Rheder ©

Zurück zur Indexseite
© Copyright woengede