Everhard Boßhammer / Ein rheinischer Landdechant (1594/1672)
von Pfarrer Corsten, Köln-Raderberg


Zum 400. Geburtstag von Everhard Boßhammer

Herausg. Kath. Kirchengemeinde Heilig Kreuz zu Kreuzweingarten





















IV. Boßhammer als Dechant der Christianität Zülpich

1. Die Visitationen


Die erste und vornehmste Pflicht des Dechanten war die Überwachung des Wandels und der Amtsführung der Geistlichen mit dem Recht der mahnung und der Bestrafung. Als Carcer für clerici delinquentes diente die camera Beati Annonis bei der Peterskirche in Zülpich. In Ausübung seines Aufsichtsrates hatte der Dechant seinen Sprengel zu visitieren, d.h. alle inneren und äußeren Verhältnisse der Pfarreien, der kirchlichen Personen und Gebäude zu prüfen und über das Ergebnis der kirchlichen Behörde zu berichten. Aber dieser Visitationspflicht stellten sich damals als unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen: zunächst die großen Unkosten, zu deren Deckung keine Mittel zur Verfügung standen: „Das ist,“ schreibt Boßhammer (17), „die allgemeine Klage aller Dechanten, daß man jährlich Visitationen von ihnen verlangt, aber nicht angibt, mit welchen Mitteln sie veranstaltet werden sollen.

Weil diese Christianität Zülpich in longitudine 10 Meilen, in latitudine aber 6 Meilen sich extendiert, an 130 Pfarr- und Filialkirchen unter sich hat, der Dechant schier nit mehr als den Titel hat zu solcher mühseliger und langwieriger Visitation, muß in absentia sua zu Hause einen Offizianten substituieren, an vielen Orten kein hospes, keine media vivendi, viel weniger anderer Notdurft thut finden. Und die er bei sich haben muß: den notarius neben dem pedellus, der allenthalben vorlaufen muß, einen Jungen pro famulo, und dann ein Pferd mit einer Karich und dem auriga. Diese alle wollen für jeden Tag ihre Diäten haben. Stehet vor allem zu verordnen, was jedweder neben notwendiger Allimentation haben soll, und wer solches zahlen soll, ob solus pastor loci vel fabrica ecclesiae vel parochiani vel omnes simul.“

Die schwierigste Person war der notarius. Dieser muße nach den Kölner Diözesan-Bestimmungen (18) sacerdos aut saltem clericus non conjugatus sein. Über ihn klagt Boßhammer (19) am meisten: „Der Notar ist wegen der vielen Beschwerden bei diesen Reisen immer mürrisch und verdrießlich; und wenn er nicht durch hohe Diäten vom Dechanten festgehalten wird, dann geht er einfach nach Hause. Auch der Pedell kehrt, wenn er seinen Lohn nicht bekommt, den Rücken und geht weg. Bei der Sorge und Verantwortung für 82 Pfarrer, 4 Kapläne und andere Priester erhalte ich nicht einmal eine Vergütung für den notwendigen Papierverbrauch. Meinen Vorgängern im Amte waren für diese Auslagen besondere Benefizien überlassen. Ich selbst hatte ein Canonicat in Münstereifel. Der verstorbene Weihbischof wünschte, ich möchte, um ungehindert den Dekanatsgeschäften obliegen zu können, auf mein Canonicat verzichten, unter Vorbehalt einer von ihm bestimmten Pension; diese Pension sollte vom Apostolischen Stuhle für immer dem Zülpicher Dekanatsamte inkorporiert werden. Ich habe dann auch auf mein Canonicat verzichtet; aber dessen Inhaber ist, wie auch der Weihbischof, bald gestorben; und der neue Inhaber weigert sich, die Pension zu zahlen.

Boßhammer bittet nun den Generalvikar, ihm zu seinem Rechte zu verhelfen oder ihm ein anderes Benefizium anzuweisen. Wohl ist zur Deckung der dekanalen Unkosten vor längerer Zeit der Dekanatszehnte eingeführt worden, den jede Kirche des Dekanates an den Dechanten zu entrichten hat. Aber dieser Zehnte ist in der langen Kriegszeit abgekommen und kann ohne die Authorität der Behörde nicht wieder eingeführt werden. Zu den Unkosten kommen noch die Schwierigkeiten von seiten der Unterherren und der weltlichen Beamten. „Die Unterherren wollten Papst in ihrem Lande sein, ließen darum keinen Visitator ihr Herrschaftsgebiet betreten (20).“

Dieser war auch auf die Beihilfe der weltlichen Obrigkeit angewiesen. Die weltlichen Vorsteher, der Amtmann und der Schultheiß, sollten dabei sein und starke Hand leisten. Boßhammer klagt: „Es hat sich auch gefunden, daß bei ankommenden Visitation etliche weltliche Vorsteher sich absentiert, dadurch nit allein solche impediert, sondern bei andern illudiert worden. Visitieren ist soviel wie exorzieren (den Teufel austreiben). Darum wütet der Teufel wie auch der Fiscus, der mit ihm verbündet ist, so sehr gegen die Visitation, und sucht alle möglichen Ausflüchte, um sie zu verhindern oder lächerlich zu machen. Quod diabolus conjunxit, fiscus non separat. Weil die Visitation erfahrungsgemäß eine so überaus widerliche Arbeit ist, darum sind die meisten Dechanten davor zurückgeschreckt, zum Schaden vieler Seelen. Darum hat auch mein Amtsvorgänger, Dechant Sintzich, in all den 29 Jahren, wo er Dechant war, keine Visitation gehalten. Ich aber berichte über die gefundenen Mißstände und bin schon zufrieden, wenn meine Berichte an den Höfen der Fürsten ihren Eindruck nicht verfehlen, und wenn nur endlich einmal die Spottrede aufhört: Visito, visitas, visitat (21).


2. Kirchengebäude und Kirchenvermögen


Zum 400. Geburtstag - Everhard Boßhammer von Pfarrer Corsten
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