Die Gemeinde Heilig Kreuz zu Weingarten
im Spiegel der Kirchenbücher des 18. Jahrhunderts
Von Friederike Kuhl


Die Bevölkerungslisten von 1801
a) Ursprung und Wert der Listen
b) Einwohnerzahl und Haushaltsstärke
c) Bevölkerungsaufbau
d) Untersuchungen über auffallende Befunde in der Bevölkerungspyramiden
e) Die Altersangaben
f) Zugezogene
g) Die Vornamen
h) Heiratsalter und Altersunterschied bei Ehepaaren, in denen die Frau älter war als der Mann
i) Angaben über Beruf oder Stand
k) Schlußwort


e) Die Altersangaben


Die Altersangaben auf der Liste sind außer der vollständigen Personenaufstellung zu einem bestimmten Zeitpunkt ein besonders großer Gewinn für die demographische Arbeit. Da ein großer Teil der Einwohner nicht aus der Gemeinde stammte, fehlen deren Taufdaten, und beim Begräbnis wurden meistens auch keine Altersangaben gemacht. Wenn die Altersangaben in der Liste auch nicht ganz zuverlässig sind, wie noch nachgewiesen werden soll, so sind sie doch ein Anhaltspunkt, mit dem man arbeiten kann. Die Ungenauigkeiten gleichen sich im ganzen wieder aus. Deshalb kann z. B. die Untersuchung des Heiratsalters sowie die des Alters der Mütter bei der Geburt des letzten Kindes für diese Zeit um 1801 auf eine breitere Basis gestellt werden, als es bei den bisherigen Untersuchungen möglich war.

Bei 76 der in der Liste aufgeführten 121 erwachsenen Einwohner von Weingarten und Rheder ist das in der Liste angegebene Alter durch die urkundlichen Angaben des Kirchenbuches überprüfbar. Dabei stellt sich heraus, daß von diesen 76 überprüfbaren Altersangaben nur gut die Hälfte mit dem tatsächlichen, durch das Taufregister belegten Alter übereinstimmen. Bei der anderen Hälfte liegen zwischen dem angegebenen und dem nachweisbaren Alter der Personen Unterschiede bis zu 15 Jahren vor. Abweichungen von 1-2 Jahren sind fast die Regel und wurden hier gar nicht mitgezählt, 3-5 Jahre Abweichung sind häufig, und 7, 11, sogar 15 Jahre Abweichung kommt vor. Viele Menschen wußten offenbar nicht, wie alt sie wirklich waren, oder der Listenführer hat sie nicht persönlich gefragt. Übrigens überwiegt bei den jüngeren Menschen bis zum Alter von 25 Jahren, daß sie sich für jünger hielten, als sie waren; bei älteren Menschen kommt dagegen häufig vor, daß sie sich für 4 und mehr Jahre älter hielten, als sie waren.

Daß die Menschen nicht wußten, wie alt sie waren, wird besonders dann deutlich, wenn die Altersangabe in der Liste von 1801 mit der beim späteren Begräbnis einer Person nicht zu vereinbaren ist. Einige Beispiele sollen die Problematik veranschaulichen.

Von Johannes Wilhelm Flinck, der übrigens eine Zeitlang Ortsvorsteher in Weingarten war, ist kein Taufdatum vorhanden. Im Jahre 1801 wird von ihm ein Alter von 64 Jahren angegeben. 1810 wird bei seinem Begräbnis eingetragen, er sei 81 Jahre alt geworden, also 9 Jahre später war er 17 Jahre älter. Was soll man nun bei seiner Eheschließung 1768 als Heiratsalter angeben? Ist er 1737 geboren, um 1801 64 Jahre alt zu sein, war also bei seiner Heirat 31, oder ist er 1729 geboren, so daß 1810 das Alter von 81 Jahren stimmt, und hat er also mit 39 Jahren geheiratet, was allerdings sehr spät wäre? Von seiner Frau Agnes Schlöngermann ist das Taufdatum bekannt, 1746; bei ihrer Heirat 1768 war sie also 22 Jahre alt. Man könnte daher geneigt sein, als Geburtsjahr des Mannes eher 1737 als 1729 anzunehmen. In die statistische Berechnung des Heiratsalters wird man J. Wilhelm Flinck aber besser nicht mit aufnehmen. Auch die Berechnung eines Mittelwertes ist zu ungewiß.

Von der Frau des J. Wilhelm Flinck, der Agnes Schlöngermann, von der wie oben bereits erwähnt, ein Taufdatum vorhanden ist, nämlich 1746, wird 1801 ein Alter von 52 Jahren angegeben, in Wirklichkeit war sie schon 55 Jahre alt. Als sie 1809 starb, war sie laut Sterberegister 70 Jahre alt, sie wäre also in 8 Jahren 18 Jahre älter geworden; wenn das Taufdatum bekannt ist, ist die statistische Bearbeitung natürlich kein Problem, aber das Beispiel zeigt ganz klar, wie problematisch die zeitgenössischen Angaben sind.

Bei Johanna Catharina Ritters liegt der Fehler bei den Angaben entgegengesetzt. 1801 wird ein Alter von 62 Jahren angegeben, was mit dem bekannten. Taufdatum, August 1738, auch in Übereinstimmung steht. Bei ihrem Begräbnis 1818 wird ihr Alter mit 72 Jahren angegeben, sie wäre in 17 Jahren folglich nur 10 Jahre älter geworden.

Die Fälle, wo sich zu große Differenzen zeigen, können als Beispiele nicht in die Berechnung für die Untersuchung mit einbezogen werden.

Die vorgeführten Beispiele aus Weingarten machen deutlich, daß der einzelne und sein Lebensalter offenbar nicht wichtig genommen wurden. Unsere bürokratische Genauigkeit war den Menschen dieser Zeit fremd, und niemand kam auf den Gedanken, wegen einer Altersangabe im Kirchenbuch nachzusehen, selbst der Pfarrer nicht, wenn er in eben diesem Kirchenbuch eine Eintragung vornahm.

Die ältesten Bewohner der Gemeinde Heilig Kreuz 1801 waren: In Billig der als "Bettler" benannte Matthias Nettersheim mit 82 Jahren; heute wäre er "Rentner" (in der Liste Billig Nr. 46 ).

In Rheder war Jacob Zingsheim mit 72 Jahren der älteste Bewohner, Nr. 74 der Liste.

In Weingarten war Margarethe Eicks mit 68 Jahren die älteste Bewohnerin, verehelicht hieß sie Strang und wird in der Liste unter Nr. 53 fälschlich als "A." Strang und mit dem Alter von 57 Jahren geführt.


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Entnommen: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993 - Mai 1993


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