Die Gemeinde Heilig Kreuz zu Weingarten
im Spiegel der Kirchenbücher des 18. Jahrhunderts
Von Friederike Kuhl


Die Begräbnisse
a) Das Sterberegister
b) Jährliche Begräbniszahlen und saisonale Schwankungen
c) Begräbnisse von Kindern
d) Kindersterblichkeit
e) Beispiele aus Weingartener Familien
f) Häufung von Sterbefällen in den Familien
g) Lebenserwartung
h) Todesursachen
i) Unglücksfälle und Begräbnisse Nichteinheimischer
j) Zusätzliche Angaben zu Verstorbenen
k) Bestattungen in der Pfarrkirche und von Pfarrern


i) Unglücksfälle und Begräbnisse Nichteinheimischer


Unter den Erklärungen, weshalb dem Verstorbenen keine Sakramente gespendet werden konnten, befinden sich auch Mitteilungen über einige tödliche Unfälle, die sich in der Gemeinde ereignet haben.

Da die Pfarrer darüber genau und anschaulich berichtet haben, lohnt es sich, ihnen hier Platz einzuräumen. Pfarrer Tillmann Hoffschlag schreibt: Am 13. Juli 1724 wurde Anna Webers begraben, die Frau des Peter Theodor Gau, die kopfüber vom Baum gestürzt war und wegen dieses Unfalls ohne Sakramente eines plötzlichen Todes starb. - ex arbore praeceps facta, hoc casu subita morte sine Sacramentis obiit". Kopfüber war auch der Witwer Heinrich Schorn aus Rheder "am 27. Juni 1798 in seiner Scheune von oben herabgestürzt, und weil er das Genick gebrochen hatte, verstarb er augenblicklich, ohne in den Genuß der Gnade der Sakramente gekommen zu sein. Er war 83 Jahre alt und wurde am 28. begraben." Für Leser, die ein wenig Latein verstehen, seien auch hier die Worte des lateinischen Originaltextes wiedergegeben, die Pfarrer Johannes Joseph Müller so seelsorgerisch mitfühlend und anschaulich schildernd ins Buch schrieb: „27. Jun. praeceps suo in Horreo ex alto delapsus, et fracto Cervice animam ipso momento, Sacramentorum fructu et gratia orbatus, exhalavit, et 28. sepultus Viduus ex Rheder, annos circiter 83 natus Henricus Schorn.“

In der Mitteilung über einen anderen Unfall, der sich am 23. April 1772 ereignete, sind noch zusätzliche Informationen enthalten. Ins Deutsche übersetzt heißt es dort: "Am 23. April habe ich Franz Trost begraben, einen Kölner Bürger und Zimmermann, "faber lignarius", was auch Tischler oder Schreiner bedeuten könnte, d. Verf.) der auf dem Rückweg von Münstereifel sich in Begleitung seines Schwagers Wilhelm Lux "affine suo" nach Euskirchen begeben wollte und beim Überschreiten unseres Kirchhofes am Kirchentor vorüberging und durch einen unglücklichen Sturz über die Mauern unseres Kirchhofes auf den öffentlichen Platz, "platea communis", den Hals brach, zur neunten Stunde am Abend, und eine halbe Stunde später im Herrn verstarb. "

Die Szene ersteht recht lebendig aus dem alten Buch; trotzdem wirft der ganze Vorfall einige Fragen auf. Wenn man sich alles genau vorstellt, mutet manches etwas seltsam an.

Fest steht jedoch, daß wir hier von einem Handwerker aus dem in Handwerk und Künsten renommierten Köln erfahren, der vermutlich nach Erfüllung eines Auftrages in Münstereifel auf dem Rückweg auf der alten Verbindungsstraße Köln - Trier, die in Weingarten über den Münsterberg führte, unterwegs war - man mußte allerdings nicht unbedingt über den Kirchhof gehen, aber vielleicht wollten sie ja zu kurzer Rast und Andacht in die Kirche.

Daß der alte Verbindungsweg, den schon die Römer benutzten, wirklich viel begangen wurde, wird durch die Tatsache bewiesen, daß fast in jedem Jahrzehnt hier ein Nichteinheimischer, der unterwegs war, begraben wurde. Dadurch wird bestätigt, daß die Gemeinde nicht isoliert lebte.

Von einem Pilger erfahren wir: „1723 am 28. Mai verschied im Herrn ein Jakobiter, "Iacobita quidam" 20 mit Namen Joseph N., der aus der Gegend bei Wien in Österreich stammte, wie sein Gefährte angab, und auf dem Rückweg von Compostela war. 21 Er wurde vom Schlagfluß getroffen, erhielt wegen Versagens der Sprache die Absolution unter besonderer Bedingung und wurde mit der Letzten Ölung versehen. Die Beweisstücke seiner Pilgerschaft 22 werden mit dem Pilgerstab in der Truhe des Schöffen in Billig aufbewahrt, "in Cista Scabini", und dann heißt es noch: "Er wurde am 2. Juni nach dem Ritual der S.P. Kirche in Billig begraben." Die Abkürzung S.P. steht für den katholischen Klerikerorden der Piaristen, „- pauperum Matris Dei Scholarum Piarum." Wieder gibt es Fragen, wie nämlich die Zugehörigkeit zu diesem Orden vereinbar ist mit "Jacobita", einem Angehörigen der Syrisch-Orthodoxen Kirche, und unklar bleibt auch, wie der "Rückweg" von Compostela in Spanien nach Wien über die Pfarre Heilig Kreuz in Weingarten führen konnte. Wollte er auch noch das Heilige Köln besuchen? Volle fünf Zeilen nehmen diese Mitteilungen im Kirchenbuch ein, gewöhnlich kommt der Pfarrer mit einer Zeile aus, und trotzdem bleiben Fragen offen.

Beim Begräbnis dieses Jacobiters 1723 und beim Begräbnis eines Lutheraners 1794 finden sich die einzigen Erwähnungen anderer Bekenntnisse im 18. Jahrhundert. 1794 heißt es: "Am 18. April starb Johann Luch, versehen mit den Sakramenten der Kirche; er stammte aus Sachsen, von Bekenntnis ein Lutheraner, und hat sich hier zur katholischen Religion bekannt", "origine Saxo, Religione Lutheranus, et hic Religionem catholicam professus est."

Einer Gruppe von Menschen, die immer unterwegs und auf der Durchreise sind, begegnen wir auch im Kirchenbuch: „1736 am 31. März wurde, versehen mit allen Sakramenten der Kirche, Matthias Magenbier begraben, "vagus quidam", ein Fahrensmann aus Oberhausen bei Philippsburg". Er kam also von weit her, dieser "vagus quidam", wie es bei den Leuten dieser Gruppe im Register heißt, vermutlich ein fahrender Händler. Auch 1719 wurde ein Fahrensmann begraben zu dem es heißt: „vagus quidam, vulgo Vennlepper -, Anton Weinart, ein Fahrensmann, gewöhnlich Vennlepper genannt -". Hier haben wir es mit einem Vertreter des fahrenden Gewerbes der Kesselflicker zu tun, wie sie auf Hochdeutsch genannt werden, die auch im vorigen Jahrhundert noch über die Dörfer zogen und ihre Dienste anboten.

Es fällt auf, daß von 1719 bis 1737 alle paar Jahre eine Eintragung über die "vagi", die Fahrensleute, in den Registern erscheint, in 18 Jahren sind es 4 Taufen und 3 Begräbnisse, nach 1737 aber ist keine Eintragung mehr zu finden, die auf den Durchzug oder vorübergehenden Aufenthalt dieser Bevölkerungsgruppe schließen läßt.

Eine Art von Unglücksfällen muß hier noch Erwähnung finden, mit der man in einem Eifeldorf kaum rechnet: der Tod durch Ertrinken. Im Juli 1793 wurde die 3jährige Beatrix Roggendorf begraben, die Tochter des Bernard Roggendorf und der Agnes Biertz, die in der Bevölkerungsliste von 1801 unter der Nr. 50/51 aufgeführt sind. Sie war "ins Wasser gefallen, -in aquam prolapsa". Im Juni 1803 heißt es von dem 7jährigen Johann Fischernich, er sei "aqua suffossus - im Wasser ertrunken". Er war der Sohn des Adam Fischernich und erscheint als dessen Kind auf der Liste von 1801 unter Nr. 63. Von dem unter Nr. 102 aufgeführten 73jährigen Anton Emonds aus Rheder wird berichtet: „1810, 6. September, praeter hortum meum "in der Mersbach " aquis soffocatus obiit - an der Außenseite meines Gartens, (es handelt sich um den Pfarrgarten, d. Verf.) wurde er "in der Mersbach" vom Wasser erstickt und starb." Und 1817 wurde der 2 ½jährige Sohn Heinrich des Johann Hülder aus Weingarten begraben, der im Wasser des Brunnens ertrunken war, "aquis putei suffocatus". - In einem Zeitraum von nur 25 Jahren sind in den beiden kleinen Eifeldörfern Weingarten und Rheder vier Bewohner durch Ertrinken ums Leben gekommen, drei davon waren Kinder von 2 bis 7 Jahren.


Zur Startseite: Die Gemeinde Heilig Kreuz zu Weingarten im Spiegel der Kirchenbücher des 18. Jahrhunderts


Entnommen: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993 - Mai 1993


Texte und Veröffentlichungen Kreuzweingartens ©

Zurück zur Indexseite
© Copyright woengede