Die Gemeinde Heilig Kreuz zu Weingarten
im Spiegel der Kirchenbücher des 18. Jahrhunderts
Von Friederike Kuhl


Die Ehen
a) Trauungen und Trauzeugen
b) Die Wahl des Hochzeitstermins
c) Zuzug und Abwanderung durch Heirat
d) Herkunftsangaben bei Eheschließungen
e) Das Heiratsalter
f) Witwer- und Witwenschaft, Wiederverheiratung
g) Demographische Untersuchungen hinsichtlich Kinderzahl, Geburtenabstände und Alter der Mütter bei der letzten Geburt
h) Zusammenfassung der durch die Untersuchung gewonnenen Ergebnisse über Taufen, Eheschließungen und Familie


e) Das Heiratsalter


Unsere Vorstellungen von Familien in früheren Jahrhunderten sind weitgehend von der Annahme geprägt, daß die Mädchen mit 18 Jahren heirateten und daß eine zahlreiche Familie von mehreren Generationen um den Eßtisch versammelt war. Diese Untersuchungen hier haben jedoch erwiesen, daß in der Gemeinde Heilig Kreuz im 18. Jahrhundert das Heiratsalter hoch war. Für eine Familiengründung war es nötig, daß für Unterkunft und Unterhalt gesorgt war, es mußte eine Vollerwerbsstelle zur Verfügung stehen? Die Frau mußte Wäsche zusammengesponnen, gewebt und genäht haben. Selten war eine Braut unter 20 Jahren alt, Dreißigjährige gab es häufiger. Die Regelung der Fruchtbarkeit und des Bevölkerungsstandes erfolgte weniger durch Geburtenregelung in der Ehe als durch das Heiratsverhalten, d. h. den späten Beginn der Ehe und die damit verbundene Verkürzung ihrer Dauer und die Ehelosigkeit. 8 In der Tabelle 5 werden zum Vergleich Zahlen aus der ländlichen Gemeinde Heuchelheim in Hessen mit herangezogen. 9


Tabelle 5: Heiratsalter in der Gemeinde Heilig Kreuz und zum Vergleich Heuchelheim im 18. Jhdt.


Da viele Heiratende von auswärts stammten und der Überlieferungszustand im ganzen lückenhaft ist, standen für die Berechnung des durchschnittlichen Heiratsalters jeweils nur wenige Beispiele zur Verfügung; deren Anzahl ist daher mit angegeben. Wurde beim Begräbnis das Lebensalter angegeben, so wurde mit Hilfe des Heiratstermins das Heiratsalter errechnet. Es handelt sich bei dieser Untersuchung nur um Fälle, in denen beide Partner eine Erst-Ehe schließen. Jedes überlieferte Heiratsalter wurde in die Untersuchung mit aufgenommen, auch, wenn die Ehe im demographischen Sinne ansonsten nicht " vollständig" ist.

Wenn man wegen der geringen Untersuchungsgrundlage die Zeit von 1721 bis 1750 unberücksichtigt läßt, in der in Heilig Kreuz extreme Eckwerte vorliegen, was wohl auf die geringe Zahl der Beispiele zurückzuführen ist, so ist hier in den beiden Geschlechtern das Heiratsalter immer höher als in Heuchelheim, wo Imhof es schon "relativ hoch" nennt. 10 Die Schwankungsbereiche des Heiratsalters sind in beiden Gemeinden unregelmäßig und bewegen sich zwischen 1,8 und 3,9 Jahren Unterschied in den Durchschnittswerten innerhalb der Zeit von 1751 bis 1800. Die geringe Bewertungsgrundlage in Heilig Kreuz gibt aufgrund dieses Vergleiches daher keinen Anlaß, die erarbeiteten Werte anzuzweifeln.

Die durch das hohe Heiratsalter verkürzte Ehedauer hat, zusammen mit einer Lebenserwartung, die geringer war als heute, - bei Verheirateten lag sie zwischen 56 und 66 Jahren (s. Kap. IV g) Tab.4) - natürlich auch eine Folge hinsichtlich der weitverbreiteten Vorstellung von der um den Tisch versammelten Großfamilie in früheren Zeiten. Es war vielmehr bemerkenswert, und bei der Taufe wird bisweilen ausdrücklich darauf hingewiesen, wenn Großeltern bei den Enkeln Pate standen. Und außerdem haben die Untersuchungen an der Einwohnerliste von 1801 ergeben, daß, in allen drei Dörfern der Gemeinde zusammengenommen, nur in fünf Familien drei Generationen wahrscheinlich unter einem Dach wohnten, davon keine in Weingarten. Leider ist es mit den vorhandenen Quellen nicht möglich, eine diesen Tatbestand auch für andere Jahre klärende Untersuchung vorzunehmen.

Schließlich sei noch auf eine weitere Folge von hohem Heiratsalter und geringer Lebenserwartung (Tab. 4) hingewiesen: Eine Goldene Hochzeit zum 50. Ehejubiläum ist zwar auch jetzt noch ein Anlaß zu besonderer Freude, jedes Ehepaar kann dieses Fest nicht feiern, aber der Lokalteil der Zeitungen berichtet doch fast täglich davon. In der hier untersuchten Zeit von 80 Jahren, von 1721 bis 1800, hat es dagegen nur zwei Ehepaare gegeben, die auf eine fünfzigjährige gemeinsame Ehezeit zurückblicken konnten. 1727 vermerkt der Pfarrer Tillmann Hoffschlag: "am 15. April wurde Peter Scherer begraben. Er war der Sitte gemäß vorsorglich versehen mit allen Sakramenten der Kirche und Jubilar in seiner ersten Ehe und ein Jahr darüber hinaus.“ 11 Mehr ließ sich über ihn leider nicht feststellen, weder, wer seine Frau war, noch wann er geboren wurde. 1689 und 1680 trat er als Taufpate in Erscheinung. Aber hier ist das Ehejubiläum doch wenigstens erwähnt worden. Pfarrer Tillmann Hoffschlag führte die Register mit viel Sinn dafür, besondere Aussagen in ganz wenigen Worten zu machen, die noch heute Leben in die nüchternen Aufzeichnungen von den Amtshandlungen bringen. - Von dem anderen Ehepaar, das ein Jubiläum erlebte, sind uns zwar fast alle Daten bekannt, aber das Jubiläum wird nicht erwähnt. Am 24. September 1782 starb Matthias Metz im Alter von 82 Jahren. Er hatte am 5. Februar 1727 Catharina Heecks aus Wachendorf geheiratet, war also 55 Jahre mit ihr verheiratet. Sie hatten neun Kinder. Catharina Heecks starb am 7. Februar 1791, sie muß sehr alt gewesen sein; wenn man ein durchschnittliches Heiratsalter zugrunde legt, gewiß 90 Jahre.

Noch eine ganze Reihe anderer Ehepaare wurde miteinander recht alt und erlebten 40 bis 48 Ehejahre, das Goldene Ehejubiläum aber erreichte weiter niemand. Bei einem Heiratsalter von grob gerechnet 25 Jahren und einer Lebenserwartung von durchschnittlich höchstens 66 Jahren liegt eine Ehedauer von mehr als 40 Jahren ja auch schon über dem, was allgemein zu erwarten ist, und kann nur übertroffen werden, wenn mehrere glückliche Umstände zusammenkommen.

In diesem Zusammenhang sei noch auf folgendes hingewiesen: Im Kapitel V h) über die Listen von 1801 befindet sich eine Untersuchung über den Altersunterschied in den Ehepaaren, bei denen die Frau älter war als der Mann.


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Entnommen: „1100 Jahre Wingarden“ - Kreuzweingarten 893-1993 - Mai 1993


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