Die Kapelle in Rheder
750 Jahre Rheder 1240 - 1990 - von Friederike Kuhl












I
II
III
IV
V
VI

Vorgeschichte, Planung und Bau
Baubeschreibung
Titelbild und Thematik
Veränderungen und Reparaturen
Die Glocken
Aus der Korrespondenz
Schluß
Quellennachweise und Anmerkungen
















V. Die Glocken


Im Turm befinden sich jetzt drei Glocken, die nach dem Zweiten Weltkrieg angeschafft worden sind. Doch bevor wir uns ihnen zuwenden können, müssen ihre Vorgänger Berücksichtigung finden.

Als die Kapelle 1902 geweiht wurde, hingen noch keine Glocken im Turm. Vom 7.11.1902 datiert ist ein Schreiben Wolfgartens an das Generalvikariat (5), in dem er noch einmal hinweist auf die „altehrwürdige“, 1835 abgerissene Kapelle, den Bau der „langersehnten“ neuen Kapelle und den „großen Opfersinn der Bewohner“, die durch zweimalige Einschreibung in eine öffentliche Liste 13.500 Mark aufbrachten und eine Anleihe von 3.000 Mark nicht gescheut haben. „Es fehlen vor allem die Glocken und ein passender Kreuzweg“, schreibt Wolfgarten weiter, und bittet angesichts des großen Opfersinnes der in bescheidenen Verhältnissen lebenden Gemeinde um eine Beihilfe zur Anschaffung von Glocken .Das Generalvikariat lehnte die Bitte am 11. Februar 1903 ab mit der Begründung: „... angesichts der vielen dringlicheren Bedürfnisse nicht in der Lage bin, für die Kapelle in Rheder eine Unterstützung aus diesseitigen Mitteln zu gewähren.“

Rheder hat also weiterhin alle Aufwendungen für die Kapelle aus eigenen Mitteln bestritten. Schon am 9. Juni 1903 schreibt dann Wolfgarten: „... ein schöner Kreuzweg ist besorgt“, und er äußert die Bitte, Pfarrer Böhmer möge ihn am 29. Juni - das war der Jahrestag der Kapelleneinweihung - von einem Franziskanerpater einsegnen lassen. Die Einsegnung erfolgte dann aber erst am 22. November 1903 durch den Minoritenpater Honorius Vieson (17). Die Urkunde befindet sich noch im Pfarrarchiv.

Inzwischen hatte Wolfgarten erneut einen Brief nach Köln geschickt; am 17.11.1903 schreibt er: „Zwei neue Glöckchen (so wörtlich) sind da für die Kapelle zu Rheder; der Herr Definitor Böhme möge beauftragt werden, die Weihe vorzunehmen. EILT!“, fügte er noch hinzu, denn wenn die Weihe nicht am Sonntag, dem 22. November, erfolge, komme man in die geschlossene Zeit vor Weihnachten; am 29. November war der 1. Advent.

Die Weihe ist dann wohl am 22. November zusammen mit der Einsegnung des Kreuzweges vorgenommen worden, und Rheder hatte zu Weihnachten 1903 Glocken in seiner neuen Kapelle.

Die beiden „Glöckchen“ waren am 12. November 1903 von der Glockengießerei Bour & Guenser Metz geliefert worden (30). Der Preis betrug 402,20 M; mit einem auf der Rechnung angegebenen Gewicht von 94,5 bzw. 54,5 kg waren es aber ganz richtige Glocken, die den Maßen des kleinen Turmes entsprachen, und sie waren schwerer als die jetzigen. - Wollte Wolfgarten, nach seiner abgelehnten Bitte um Beihilfe wegen der Bedürftigkeit des Dorfes, ihre Bedeutung etwas herunterspielen, um glaubwürdig zu bleiben? -

Rheder hatte übrigens wohl günstige Preis- und Zahlungsbedingungen für die Glocken erhalten, weil die Firma Bour & Guenser in Schwierigkeiten war, denn auf der Rechnung steht ein Zusatz: Zins 4 % 12.2.1904 - 12.2.1905 ... 16,08 Mark SS 418,28 Mark ... Wegen Liquidation zahlbar an den Liquidator A. Guenser Metz.

Nach dem ersten Weltkrieg war die alte Rechnung längst beglichen, aber in dem von Lehrer Gebertz äußerst korrekt geführten Abrechnungsbuch der Gemeinde wird regelmäßig ein „Glockenfond Kapelle Rheder“ aufgeführt, und im Kirchenvorstandsprotokoll der Stiftung vom 14.2.1930 heißt es: „Die vom KV zur Beschaffung einer zweiten Glocke für die Kapelle in Rheder eingesetzte Kommission beschloß am 14.2.1930 einstimmig, den Auftrag gemäß Kostenanschlag der Firma Mabilon-Hausen in Saarbrücken zu erteilen, vorbehaltlich der Genehmigung der Erzbischöflichen Behörde. Die Kosten sind aus dem Glockenfond und den Revenue-(Einkünfte-) überschüssen des laufenden folgenden Jahres gedeckt.“ Auf dem Kostenanschlag der Firma Mabilon heißt es: Erste Glocke, Ton f „:vorhanden; zweite Glocke, Ton gis“, Durchmesser 48 cm, 70 kg, 245 RM; - der endgültige Preis betrug bei 66 kg mit Aufhängung 327,05 RM -.

1930 gab es also nur noch eine Glocke in Rheder, und man hatte bereits seit mehr als 10 Jahren für eine neue zweite gespart. Eine der beiden 1903 angeschafften ist, vermutlich 1917, mit vielen anderen Glocken im Krieg abgeliefert und eingeschmolzen worden.

Dabei muß es sich um die kleinere der beiden Glocken von 1903 gehandelt haben. Jakob Schaeben (31) schreibt nämlich in seiner schönen Bestandsaufnahme „Glocken, Geläute, Türme“ 1977: „Vor dem Zweiten Weltkrieg waren in Rheder zwei Glocken vorhanden“ und nennt eine von 1903 von der Firma Bour & Guenser: Ton f“ ... 95 kg, also die größere der beiden von 1903. Sie trug die Inschrift:

VIVOS VOCO, MORUOS PLANGO.
(Die Lebenden rufe ich, die Toten beklage ich.)
MATER BONI CONSILII O.P.N. (ORA PRO NOBIS)
(Mutter des Guten Rates, bitte für uns!)

Die zweite der von Schaeben als vor dem Zweiten Weltkrieg in Rheder vorhanden erwähnten Glocken muß die von der Firma Mabilon 1930 gelieferte gewesen sein, wenn auch seine Angaben mit denen der Firmenrechnung (30) nicht ganz übereinstimmen. Er beruft sich auf das Handbuch der Erzdiözese Köln und gibt an: Ton as“, 55 kg, Durchmesser 49 cm, während es in der Rechnung heißt: Ton gis“, 66 kg, Durchmesser 48 cm.

Ihre Inschrift lautete:
HEILIGER WENDELINUS, BITTE FÜR UNS!
DEM ANDENKEN DES AUSGEZOGENEN WOHLTÄTERS DIESER KAPELLE BERNHARD WOLFGARTEN.
(Er war der Bruder Jakob Wolfgartens, d.Verf.)
Die Anschaffung der Glocke wurde auf Antrag von Köln aus genehmigt und dem Pfarrer Nikola Reinartz die Erlaubnis erteilt, die neue Glocke am 8. April 1930 kirchlich zu weihen.

Die beiden vor dem Zweiten Weltkrieg vorhandenen Glocken sind, wie Schaeben angibt, 1942 untergegangen. Wie schon im Ersten Weltkrieg 1917 sind auch damals wieder viele Glocken dem materialbedarf der Rüstungsindustrie zum Opfer gefallen. 1945, nach dem Ende des Krieges, war der Turm der Kapelle schwer beschädigt und keine Glocken mehr vorhanden (s.S. 102). Aber dieser Zustand dauerte nicht sehr lange. Als nämlich das Gros der amerikanischen Truppen abzog, blieb auf dem Bahngelände in Euskirchen eine Glocke zurück, und Matthias Weber aus Rheder, der in Euskirchen bei der Bahn beschäftigt war, hat es erreicht, daß er die Glocke mit nach Rheder nehmen konnte. In Rheder konnte also wieder geläutet werden. Es handelt sich wahrscheinlich um eine Schiffsglocke. Bei einer Turmbesichtigung konnte ich mich 1990 davon überzeugen, daß sie noch existiert. Sie hängt ein Stück unterhalb der anderen Glocken und ist seitlich mit einer Leiste fest an der Wand des Turmes montiert; schwingen konnte sie nie. Der Klöppel muß mit einer Schnur hin- und herbewegt werden, wenn man läuten will. Die Höhe beträgt 20,5 cm, der Durchmesser ist 29,5 cm. Sie trägt keinerlei Zeichen oder Hinweis, woher sie stammt.

Nach den wichtigsten Instandsetzungsarbeiten an der Kapelle (s.S. 102) wurde am 30. September 1951 im Kirchenvorstand über „die Anschaffung einer kleinen Glocke für die Filialkirche rheder“ beraten. Im Protokoll (32) heißt es: „Die von den Firmen Mabilon (Saarbrücken) und Mark (Brockscheid) vorgelegten Kostenanschläge wurden durchgesprochen. Der Pfarrer (33) hatte sich diesbezüglich auch mit dem amtlichen Glockensachverständigen der Erzdiözese, dem Musikdirektor J. Schaeben, Euskirchen, beraten. Nach eingehender Besprechung entschied man sich, die kleine Glocke g“, 90 kg, gemäß vorliegendem Kostenanschlag zu 1137 DM zu bestellen, vorbehaltlich der Genehmigung der Erzbischöflichen Behörde. Die Kosten sollen durch freiwillige Spenden aufgebracht werden, nach Möglichkeit von der Filialgemeinde Rheder selber.“ Laut Schaeben (31) hat die noch 1951 gegossene Glocke den Schlagton fis“ und das Gewicht von 78 kg. Über den endgültigen Preis und den Tag der Weihe war bisher nichts zu erfahren. Die Inschrift lautet, zitiert nach Schaeben:

MATER BONI CONSILIE (so!) O.P.N.1951 (ORA PRO NOBIS! d. Verf.) (Mutter des Guten Rates, bitte für uns!) Darüber ein 14 cm hohes Bild der Himmelskönigin mit Kind.

Der grammatische Fehler in der Inschrift, CONISLIE statt CONSILII , auf den Schaeben mit „(so)“ hinweist, ist inzwischen berichtigt worden. Pfarrer Dr. Irrgang konnte bei unserer Turm- und Glockenbesichtigung feststellen, daß die Querbalken des „E“ beseitigt wurden, daß man die Berichtigung aber bemerkt, wenn man genau hinsieht. Die Firma Mark konnte diese Peinlichkeit wohl nicht auf sich sitzen lassen.

Als die Glocke 1951 geweiht wurde, lud Frau Wolfgarten anschließend zu Kaffee und Kuchen ein. Dazu kam auch der Fabrikant Wilhelm Kalff von der Verbandstoff-Fabrik Kalff in Rheder und sagte, er habe gar nichts von der Glocke gewußt, sonst hätte er auch gern eine Spende gemacht. Als man ihm fröhlich bedeutete, daß es dafür nie zu spät sei und früher zwei Glocken im turm gehangen hätten, versprach er, zu seinem bevorstehenden 75. Geburtstag für eine zweite Glocke zu sorgen. So bekam Rheder 1952 wieder eine zweite richtige Glocke. Sie hat den Schlagton gis“ und ein Gewicht von 50 kg. Auch sie wurde von der Firma mark gegossen. Die Inschrift lautet:

ST. BERNARDE PRAEDICATOR B.M.V. O.P.N. - (BEATAE MARIAE VIRGINIS, ORA PRO NOBIS, d.Verf.) - (hl. Bernard, Lobredner der Gottesmutter, bitte für uns! Zur Übersetzung vergl. S. 111) + GESTIFTET VON WILHELM KALFF ZUM 75. GEBURTSTAG 1952. Auf der Flanke Bild des hl. Bernard (31).


Glockenweihe in Rheder 1951


Als die Firma Mark die von Wilhelm Kalff gestiftete Glocke aufgehängt hatte, schenkte er der Firma eine große Kiste Verbandstoffe. Ein Angehöriger der Firma, der damals als Lehrjunge dabei war, erinnerte sich jetzt noch genau an die Geschehnisse von 1952, als anläßlich eines Handwerkermarktes die Rede auf Rheder und die Glocken kam; das Verbandzeug habe drei Jahre gereicht!

Im Laufe von fünfzig Jahren hatte das kleine Dorf Rheder fünf Glocken für seine Kapelle angeschafft. Daß die drei ersten davon zwei Kriegen völlig sinnlos zum Opfer fallen mußten, ist eine traurige Bilanz, die im kleinen deutlich das Zeitgeschehen der ersten Jahrhunderthälfte spiegelt. Im Blick auf die beiden vorhandenen, 1951 und 1952 erworbenen Glocken darf man dankbar feststellen, daß sie nun schon länger im Dorf läuten als die drei untergegangenen alten.


Aus der Korrespondenz


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