100 Jahre Kapelle Rheder - 1902-2002
Von Friederike Kuhl









Grußworte

100 Jahre Kapelle der Mutter vom Guten Rat in Rheder

1. Vorgeschichte
2. Die Bewohner von Rheder planen ihre Kapelle, Voraussetzungen
3. Jakob Wolfgarten
4. Die Bewohner von Rheder leiten ihre Neubaupläne ein
5. Die Bewohner von Rheder errichten ihre Kapelle
6. Titelbild und Thematik
7. Die schöne, reiche Ausstattung der Kapelle wird vervollständigt
8. Die Glocken
9. Reparatur- und Installationsarbeiten, Veränderungen

Quellennachweis und Anmerkungen









4. Die Bewohner von Rheder leiten ihre Neubaupläne ein


Nach seiner Rückkehr in die Heimat aus dem Exil in Frankreich hat Jakob Wolfgarten das Gelübde, das er in Frankreich abgelegt hatte, eingelöst und in seinem Heimatort Rheder mit seinen Verwandten und Mitbürgern den Plan wahr gemacht, der Mutter vom Guten Rat eine Kapelle zu errichten. Mit Hilfe des frommen Sinnes der Bewohner, ihrer Opferbereitschaft und ihres Fleißes wurde der allgemeine Wunsch in die Tat umgesetzt. Ein Kapellenbau-Comite wurde gebildet. Als Mitglieder trugen sich ein: Jos. Wolfgarten, Max Franck, H. Jos. Heimbach, Joh. Gilles, H. Gilles, Peter Straßer, Heinr. Lott. (3)

Nun wurde in Rheder für den Neubau zuerst einmal gesammelt und gebetet, monatlich von Haus zu Haus. Dabei ging es nicht allein ums Geldeinsammeln. Die Geldspende war verbunden mit der frommen Sitte des "Lebendigen Rosenkranzes", einer in der Eifel früher vielfach üblichen Gebetsgemeinschaft. Die Mitglieder zogen sich jeden Monat ein Blättchen mit einem Gebetsandenken, das bescheiden dekoriert war und die entsprechenden Gebetsreime enthielt, jeweils zum Freudenreichen, Schmerzensreichen oder Glorreichen Rosenkranz. Man verpflichtete sich damit, denjenigen Rosenkranz, den man gezogen hatte, in diesem Monat täglich mit der Familie zu beten. Beim monatlichen Austragen der Gebetszettel wurde gleichzeitig mit einer Liste die Geldsammlung für die Kapelle durchgeführt.

Ein heutiger Mitbürger aus Rheder berichtete, sein Vater habe ihm erzählt, dass es monatlich jeweils eine oder zwei (Gold) Mark waren, die beigesteuert wurden. Die Gebetsblätter wurden, wenn man im folgenden Monat das nächste gezogen hatte, wieder eingesammelt und später wieder verwendet. Man war sparsam.

Jakob Wolfgarten gehörte als Pfarrer von Keldenich nicht mit zum Kapellenbau-Comite. Aber er war es, der von Anfang an auf Bitten seiner Familie und der Bewohner von Rheder den notwendigen Schriftverkehr mit der Erzbischöflichen Behörde geführt hat (3). Durch die Besuche bei seiner Familie war er stets informiert und vielfach behilflich. Seine Stellung gegenüber dem damaligen Pfarrer von Kreuzweingarten war dabei nicht frei von Schwierigkeiten, wie aus der Korrespondenz mit der Erzbischöflichen Behörde hervorgeht. Diese bietet über die sachlichen Informationen hinaus manch interessanten Einblick in die örtlichen Zusammenhänge und die Vorstellungen der Zeit und gehört unmittelbar zur Geschichte der Verwirklichung der dörflichen Neubaupläne.


Unterschriften der Mitglieder des Kapellenbau-Comités


Offiziell beginnt die Inangriffnahme der Pläne am 29. März 1897 mit dem Bittgesuch Jakob Wolfgartens von Keldenich aus (6): "Einem Hochwürdigsten, Erzbischöflichen Generalvikariat zu Köln erlaube ich mir, im Auftrage der Bewohner von Rheder, Pfarre Weingarten, folgendes Bittgesuch allergehorsamst zu unterbreiten: Mein Heimatdörfchen Rheder, mit circa 160 Einwohner, katholisch, besaß, vor ungefähr 60 Jahren, eine kleine Kapelle. Wegen Baufälligkeit wurde sie abgebrochen; eine neue sollte an die Stelle kommen. Jedesmal nun, wenn ich die Familie in Rheder besuche, häufen sich die Bitten, zum Neubau der vielbegehrten Kapelle behilflich zu sein. - Gründe, welche zu Gunsten des Neubaues geltend gemacht werden, sind folgende:

  1. Die Kapelle hat früher bestanden.

  2. Manche Altersschwache können die Pfarrkirche, welche auf einem Berge liegt, jahrelang nicht besuchen, würden aber in der Kapelle die hl. Sakramente empfangen.

  3. Ist in Rheder jemand gestorben, so versammelt sich Abends der ganze Ort zu einer Totenandacht im Sterbehaus. Wie schön dieser Gebrauch auch ist, so hat er auch seine Schattenseiten, welche vermieden würden, wenn eine Kapelle als Versammlungsort dienen könnte.

  4. Es ist als sicher anzunehmen, dass in der Kapelle von Allerheiligen bis Ostern täglich der Rosenkranz gemeinschaftlich gebetet würde; auch würden gar Viele an Werktagen und namentlich an Sonntagsnachmittagen, nach dem Gottesdienst in der Pfarrkirche, gern den Kreuzweg in der Kapelle gehen und vor manchen Gefahren des Sonntags bewahrt werden."

Die "Schattenseiten" einer Totenandacht im Sterbehause kann man wohl ahnen, die "Gefahren des Sonntags" hingegen können aus heutiger Sicht kaum sehr gefährlich gewesen sein in dem kleinen Voreifeldorf. Beides vermittelt jedoch einen lebensvollen Einblick in das religiöse Leben und die moralischen Maßstäbe der Zeit.

Wenn wir in der Rückerinnerung die dörfliche Situation bei der Planung des Kapellenbaus lebendig werden lassen, so müssen auch die entscheidenden problematischen Punkte dieses Vorhabens hier hervorgehoben werden, auf die Jakob Wolfgarten sowohl in dem bisher zitierten offiziellen Bittgesuch noch eingeht, als auch vor allem in einem parallelen persönlichen Schreiben. So heißt es:

  1. "Die Bewohner von Rheder wünschten, soweit es thunlich ist, alle 14 Tagen an einem Werktage in der Kapelle eine hl. Messe zu haben, selbstverständlich gegen erhöhtes Stipendium für den Pfarrer, welcher ja 1 Klm. ( schöne Landstraße) entfernt wohnt. Dagegen versprechen sie, niemals Anspruch zu machen auf eine Messe an Sonntagen, noch auf eigenen Kirchhof in Rheder."

  2. Wolfgarten fährt im Auftrag der Bewohner von Rheder fort: "Der Zeitpunkt wäre ein sehr günstiger. Manche Bewohner, welche im Alter von 60 bis 82 Jahren stehen und entweder unverheiratet geblieben oder keine Kinder haben, sind bereit, reichlich zu geben, sowohl zum Bau als zur späteren Unterhaltung der Kapelle. Eine Summe von 12 000 Mark wäre leicht aufzubringen. Der Herr Schorn, aus meiner Familie, wird allein 5 000 oder 6 000 zum Neubau geben u. auch später gern geben, wenn noch zu seinen Lebzeiten (er ist 81 Jahre alt) mit dem Bau begonnen würde.

  3. "Die Bewohner von Rheder besuchen alle Segensandachten in der Pfarrkirche sehr fleißig und ich nehme nicht an, daß Jemand Sonntagsnachmittag dem Pfarrgottesdienst in Folge der Kapelle, entfremdet würde. Die Bewohner von Rheder würden glücklich sein, wenn der neue Herr Pastor ihrem Herzenswunsche entgegen kommen und den Bau der Kapelle in die Hand nehmen wolle.

Selbstverständlich gebe ich es dem weisen Ermessen des Hochwürdigsten Generalvikariats gänzlich anheim, vorstehende Bitte dem neuen Pfarrer (Böhmer, 1897 -1909, die Verf.) von Kreuzweingarten zur Begutachtung und, wo möglich, zu einer gütigen Berücksichtigung zu empfehlen oder davon abzuraten.

Mit Hochachtung und innigster Dankbarkeit verbleibe ich
Des Hochwürdigsten, Erzbischöflichen Generalvikariats
gehorsamster Jakob Wolfgarten, Pfarrer."

In dem oben erwähnten parallelen Gesuch vom 30. März 1897 formuliert Wolfgarten die mit dem Kapellenbau entstehenden Probleme ausführlicher: Die zusätzliche Belastung des Pfarrers von Heilig Kreuz, der auch in KaIkar und Billig zuständig war, die mögliche "Entfremdung" von der Pfarrkirche, den Zeitpunkt für die Finanzierung und das Bestreben, sich zurückzuhalten, um sich nicht zwischen den Pfarrer und die Bevölkerung von Rheder zu stellen. Er schreibt (6): "Schon seit vielen Jahren werde ich gebeten, die Sache in die Hand zu nehmen, da in Rheder selbst keine geeignete Persönlichkeit vorhanden sei. Ich habe Bedenken gehabt, diesem Wunsche nachzukommen, da die zeitigen Herren Pfarrer von Weingarten fürchteten, neue Lasten für sich und ihre Nachfolger zu übernehmen. Ich halte es überhaupt für höchst unklug, mich zwischen die Bewohner in Rheder und ihren Pfarrer zu stellen; und um dem Drängen einzelner Personen aus Rheder auszuweichen, würde ich Ihnen, Herr Generalvikar, dankbar sein, wenn Sie in wenigen Worten mir Befehl erteilten, der Sache fernzubleiben, um nicht störend in die ruhigen Verhältnisse der Pfarrei Weingarten einzugreifen.... Ein gesegneter Kapellenbau kann nur dann zustande kommen, wenn der zeitige Pfarrer von Weingarten die Sache in seine Hände nehmen will .... Wird der jetzige Zeitpunkt verpasst, so wird wohl nie eine Kapelle zustande kommen. Voraussichtlich sterben in wenigen Jahren mehrere, reichere Familien aus. Z.B. mein Vetter Schorn (81 oder 82 Jahre alt), Familie Franck (ca. 70 Jahre alt), Familie Heimbach, Gilles etc., alle unverheiratet oder ohne Kinder."

Dekan Uebach in Geilenkirchen schreibt in seiner von der Erzbischöflichen Behörde zu den Gesuchen Wolfgartens angeforderten Stellungnahme zu diesen Fragen am 7. Mai 1897: ".... nur dann mit Rücksicht auf die Gesamtpfarre dienlich, wenn in derselben (scl. Kapelle) nur alle 6-8 Wochen eine heilige Messe gehalten würde.... weil bald die Einwohner von Rheder die Abhaltung von Jahresmessen wünschen werden und auch nur für daselbst Messen gestiftet zu sehen wünschen werden. So würde die Pfarrkirche, da schon in Billig und KaIkar Messen gehalten werden, schließlich auf den kleinen Pfarrort Weingarten allein angewiesen sein, was offenbar nicht dienlich ist."

Wie richtig Wolfgarten und Uebach die Problematik erkannt hatten, beweist ein Schreiben vom 5. November 1902, also nur gut vier Monate nach der Einweihung der Kapelle. Pfarrer Böhmer von Weingarten bittet den Kapitularvikar um Festsetzung der Gottesdienstzahlen in Rheder, da vom 29.6. bis 5.11.1902 bereits sechs Hochämter bestellt worden waren, das heißt, bereits so viele, wie ursprünglich für das ganze Jahr vorgesehen waren (4). Vom 12. November 1902 datiert ist die Antwort des Kapitularvikars: "Auf Euer Hochwürden Anfrage vom 5. DMts. Bestimme ich, dass der Pfarrer von Weingarten nicht verpflichtet sein soll, häufiger als acht mal im Jahre in der Kapelle zu Rheder die hl. Messe zu lesen." (4)

Nach dieser sachlich bedingten zeitlichen Vorausnahme folgen nun chronologisch die weiteren Abschnitte der Baugeschichte.

Die Genehmigung für den Bau und für die Abhaltung öffentlicher Gottesdienste wurde am 15. Oktober 1900 vom Erzbischöflichen Vikariat in KöIn erteilt.

Auch die Regierung in Berlin musste um Genehmigung ersucht werden: Unter dem Datum Berlin W 64, den 9. Januar 1902 schreibt der Minister der geistlichen, Unterrichts und Medizinal-Angelegenheiten: "Erwiderung auf den Bericht vom 28. Nov. v. Js: Die Beschlüsse des Kirchenvorstandes und der Gemeindevertretung der katholischen Pfarrgemeinde zu Kreuzweingarten im Kreis Euskirchen vom 8. Sept. 1901, betr. den Bau einer neuen katholischen Kapelle in Rheder, werden hierdurch von Staatsaufsichtswegen genehmigt." (4)

Der Briefwechsel mit dem Generalvikariat wegen der Grundsteinlegung (5) für die Kapelle lässt die Geschehnisse von vor mehr als 100 Jahren noch einmal besonders lebendig werden. Am 16. Juni 1901 bittet Jakob Wolfgarten das Generalvikariat in Köln von Keldenich aus: "Pfarrer Böhmer in Weingarten die Fakultas (Erlaubnis) zu ertheilen, die Einsegnung des Grundsteines nach der schönen (im Römischen Rituale cap. 26) Form zur Satzung zur Einsegnung des Grundsteines für einen Kirchenbau am 23. Juni 1901 vornehmen zu dürfen."

Den Schriftverkehr mit der Erzbischöflichen Behörde wegen der notwendigen Genehmigungen hat Jakob Wolfgarten von Anfang an bis zuletzt von Keldenich aus selbst geführt. Der Gemeindepfarrer Böhmer wurde nicht, wie Wolfgarten "für einen gesegneten Kapellenbau" gewünscht hatte (6), für den Kapellenbau tätig. Als zuständiger Gemeindepfarrer hatte er aber die Amtshandlungen persönlich vorzunehmen, von der Grundsteinlegung bis zur Glockenweihe.

Der für die Grundsteinlegung vorgesehene 23. Juni 1901 war ein Sonntag. Die Post und das Generalvikariat arbeiteten damals schnell, denn schon vom 18. Juni - Dienstag - datiert ist die Stellungnahme, die der Generalvikar auf den Rand des Briefes aus Keldenich vom 16. Juni schrieb: "mit dem Ersuchen, Pfarrer Böhmer möge gefälligst den Titel der zu erbauenden Kapelle angeben!" (5) Dieses "Ersuchen" wurde an Pfarrer Böhmer nach Weingarten geschickt und traf dort wohl am 20. Juni ein, am Donnerstag vor dem angestrebten Sonntagstermin. Es verfehlte seine Wirkung nicht, denn nun drängte die Zeit, man konnte sich - bei aller Zuverlässigkeit - der Post nicht mehr anvertrauen. Pfarrer Böhmer hat sich am Freitag, 21. Juni 1901, offenbar selbst auf den Weg nach Köln machen müssen. Die Eisenbahnstrecke nach Münstereifel war schon seit mehr als 10 Jahren im Betrieb und die von Euskirchen nach Köln schon länger. Jedenfalls trägt Böhmers Schreiben mit der Angabe des Titels für die zu erbauende Kapelle: "B.M. V .de bono consilio" und der Bitte, die feierliche Grundsteinlegung vornehmen zu dürfen, dasselbe Datum, 21. Juni 1901, wie das erbetene Genehmigungsschreiben des Generalvikariats. Darin erteilt das Generalvikariat, das nun wieder zu seiner gewohnten Würde zurückgefunden hat, Pfarrer Böhmer in feierlichem Latein die Genehmigung, die Grundsteinlegung nach der genannten Form vornehmen zu dürfen.

(Die übliche Abkürzung "B.M.V. de bono consilio" bedeutet: "Beata Maria Virgo de bono consilio und heißt wörtlich übersetzt: Selige Jungfrau Maria vom Guten Rat". Der offizielle Titel Mariens wird im deutschen Sprachgebrauch aber gewöhnlich mit "Gottesmutter" oder "Mutter" wiedergegeben.)


Kirchenbauverein Kreuzweingarten-Rheder


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