100 Jahre Kapelle Rheder - 1902-2002
Von Friederike Kuhl









Grußworte

100 Jahre Kapelle der Mutter vom Guten Rat in Rheder

1. Vorgeschichte
2. Die Bewohner von Rheder planen ihre Kapelle, Voraussetzungen
3. Jakob Wolfgarten
4. Die Bewohner von Rheder leiten ihre Neubaupläne ein
5. Die Bewohner von Rheder errichten ihre Kapelle
6. Titelbild und Thematik
7. Die schöne, reiche Ausstattung der Kapelle wird vervollständigt
8. Die Glocken
9. Reparatur- und Installationsarbeiten, Veränderungen

Quellennachweis und Anmerkungen









8. Die Glocken


Über die Glocken soll in einem eigenen Kapitel berichtet werden, weil sich in ihrer Geschichte zum einen besonders eindrucksvoll das Zeitgeschehen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spiegelt, zum anderen aber auch die unbeirrbare Verbundenheit der kleinen Gemeinde mit ihrer Kapelle deutlich wird.

Im November 1902 hatte Jakob Wolfgarten beim Generalvikariat um eine Beihilfe zur Anschaffung von Glocken gebeten, die im Februar 1903 abschlägig beschieden wurde (3)(vergl. Kap. 7). Schon im November des seIben Jahres schreibt Jakob Wolfgarten dann nach Köln: "Zwei neue Glöckchen (so wörtlich) sind da für die Kapelle zu Rheder; der Herr Definitor Böhmer möge beauftragt werden, die Weihe vorzunehmen. EILT!" fügte er noch hinzu, denn wenn die Weihe nicht am Sonntag, dem 22. November 1903, erfolge, komme man in die geschlossene Zeit. Am 29. November war der 1. Advent. Die Weihe (18) ist dann am 22. November 1903 zusammen mit der Einsegnung des Kreuzweges vorgenommen worden, und in Rheder konnten zu Weihnachten 1903 die Glocken läuten.

Die beiden "Glöckchen", wie Jakob Wolfgarten formulierte, waren am 12. November 1903 von der Glockengießerei Bour und Guenser Metz geliefert worden. Der Preis betrug 402,20 M; mit einem auf der Rechnung angegebenen Gewicht von 94,5 kg bzw. 54,5 kg waren es aber ansehnliche Glocken, wie sie den Maßen und Kräften des kleinen Turmes entsprachen. Beide waren sogar mehrere kg schwerer als die jetzigen Glocken. Wollte Jakob Wolfgarten nach seiner nur ein Jahr zurückliegenden Bitte um Beihilfe wegen der Bedürftigkeit der "in bescheidenen Verhältnissen lebenden Gemeinde" ihren Wert etwas abmindern, um glaubwürdig zu bleiben?

Nach dem Ersten Weltkrieg hat es in Rheder nur noch eine Glocke gegeben. Die kleinere der beiden Glocken von 1903 war im Krieg, vermutlich 1917 (19) zusammen mit vielen anderen Glocken aus der Region, abgeliefert und eingeschmolzen worden. Denn im Februar 1930 wurde im Kirchenvorstand beschlossen (4), "eine zweite Glocke, Ton gis", zu der ersten, Ton f, "vorhanden", zu bestellen, Durchmesser 48 cm, 70 kg Gewicht. Der endgültige Preis nach Aufhängung (327,05 RM) war aus dem Glockenfond und den Einkunftüberschüssen gedeckt. Trotz schwerer Zeiten nach dem verlorenen Krieg, trotz Inflation und Börsenkrach war für die Kapelle in Rheder ein Glockenfond angespart worden. So wurde auf Antrag die Anschaffung einer zweiten, neuen Glocke von Köln aus genehmigt und Pfarrer Nikola Reinartz die Erlaubnis erteilt, die neue Glocke am 8. April 1930 kirchlich zu weihen.

Diese Glocke hing, wie auch die kleinere der beiden von 1903, nicht lange im Turm, nur 12 Jahre. Wie schon im Ersten Weltkrieg sind auch im Zweiten Weltkrieg wieder viele Glocken dem Materialbedarf der Rüstungsindustrie zum Opfer gefallen. Die beiden vor dem Zweiten Weltkrieg in Rheder vorhandenen Glocken sind 1942 untergegangen. Um die Gemeinde zum Gottesdienst rufen zu können, erfand man in Rheder eine Notlösung. Am Haus Kranz, gegenüber der Kapelle, wo jetzt Maria KesseIer wohnt, wurde eine solide Konstruktion angebracht, an der man einen Eisenträger aufhängte. Mit einer Eisenstange wurde er kräftig geschlagen, so "läutete" man zum Gottesdienst - und auch bei Fliegeralarm!


Herrmann Brück mit der kleinen Glocke


Der Turm der Kapelle war 1945 gegen Ende des Krieges als möglicher Ausguckposten von der amerikanischen Artillerie schwer beschädigt worden. Aber mit diesem Zustand fand man sich in Rheder nicht lange ab. Noch in der schweren Nachkriegszeit wurde der Turm 1947 wieder hergestellt. Als das Gros der amerikanischen Truppen abgezogen war, blieb auf dem Bahngelände in Euskirchen eine Glocke zurück. Matthias Weber aus Rheder, der bei der Bahn beschäftigt war, sah hierin eine Möglichkeit, in Rheder Abhilfe zu schaffen. Er konnte es erreichen, die Glocke mitnehmen zu dürfen. So konnte in Rheder nun wieder vom Turm geläutet werden. Diese kleine Glocke hängt immer noch im Turm der Kapelle, etwas unterhalb der beiden anderen, inzwischen angeschafften Glocken und erinnert an schwere Zeiten. Sie ist seitlich mit einer Leiste fest an der Wand des Turmes montiert. Schwingen konnte sie nie; wenn man läuten will, muss der Klöppel mit einem Seil hin und herbewegt werden. Vermutlich handelt es sich um eine Schiffsglocke. Ihre Höhe beträgt 20,5 cm, der Durchmesser ist 29,5 cm. Sie trägt keinerlei Inschrift oder Hinweis, woher sie stammt.

Nach Vollendung der wichtigsten Instandsetzungsarbeiten an der Kapelle nach dem Zweiten Weltkrieg wurde am 30. September 1951 im Kirchenvorstand über die Anschaffung einer Glocke (15) für die Filialkirche in Rheder beraten. Nach eingehenden Beratungen des Pfarrers, auch mit Musikdirektor Jakob Schaeben, wurde die Glocke, " Ton g", 90 kg, gemäß Kostenvoranschlag der Firmen Mabilon (Saarbrücken) und Mark (Brockscheid) zu 1 137 DM bestellt. Sie wurde noch 1951 gegossen und 1952 geweiht. Ihre Inschrift lautet (19): "MATER BONI COSILIE (so!) O.P.N. 1951". Darüber befindet sich ein 14 cm hohes Bild der Himmelskönigin mit Kind. Der grammatikalische Fehler "CONSILIE" statt "CONSILII", auf den Schaeben mit "so!" hinweist, ist inzwischen berichtigt worden. Pfarrer Dr. Peter Irrgang konnte bei unserer Turm und Glockenbesichtigung 1990 feststellen, dass die Querbalken des "E" beseitigt wurden, dass man die Berichtigung bei gutem Licht und genauem Hinsehen aber noch bemerken kann. Die Firma Mark hat die Peinlichkeit offenbar nicht auf sich sitzen lassen wollen und den Fehler nachträglich korrigiert.

Im Kölner Stadtanzeiger und in der Rundschau erschienen am 29. April 1952 Berichte über die Glockenweihe mit dem Hinweis auf das 50-jährige Bestehen der Kapelle. Das legte es nahe, einen der Zeitungsartikel nun hier in die Festschrift zum 100-jährigen Bestehen aufzunehmen. Im Kölner Stadtanzeiger heißt es:


50 Jahre steht die Kirche - Die zweite Glocke gestiftet


"Nach dem Festgottesdienst am Vormittag fand nachmittags die Weihe der neuen Glocke unserer Kirche statt. Das Kirchenschiff faßte bei weitem nicht die Menge der Menschen, die an dieser feierlichen Stunde teilnehmen wollten. Auf der Glocke, die von der Glockengießerei August Marr (richtig Mark, die Verf.) in Brockscheid gegossen wurde, steht der Weihespruch: "Maria mater boni consilii. Ora pro nobis." Mit diesem Spruch verband Pfarrer Becker, Arloff Kirspenich, die Gedanken seiner Weiherede, worauf er die feierliche Weihe der neuen Glocke vollzog, bei der Pfarrer Hahn, Billig, ihm als Diakon zur Hand ging.

Pfarrer Wammers, Kreuzweingarten, dankte der Gemeinde, durch deren Opfer der Guß der Glocke ermöglicht wurde. Anschließend gab er die frohe Botschaft bekannt, daß durch die Spende eines Gastes des Festgottesdienstes auch die zweite Glocke bestellt werden kann. Küster Schlösser leitete als Dirigent den Kirchenchor, der mit seinen Mitgliedern aus den umliegenden Dörfern der Feier den musikalischen Rahmen gab."

Wenn Pfarrer Wammers die Glockenspende Wilhelm Kalffs "anschließend" bekannt gab, ist damit wohl das Beisammensein nach der Feier gemeint, wie die mündliche Überlieferung im Dorf es berichtet: Nach der Glockenweihe habe Frau Wolfgarten zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Dazu kam auch der Fabrikant Wilhelm Kalff von der Verbandstoff-Fabrik Kalff in Rheder. Er sagte, er habe gar nichts von der Glocke gewusst, sonst hätte er auch eine Spende gemacht. Als man ihm daraufhin fröhlich bedeutete, dafür sei es nie zu spät und vor dem Krieg hätten zwei Glocken im Turm gehangen, versprach er, zu seinem bevorstehenden 75. Geburtstag für eine zweite Glocke zu sorgen. So bekam Rheder 1952 wieder eine zweite richtige Glocke. Auch sie wurde von der Firma Mark gegossen; sie hat den Schlagton "gis" und hat ein Gewicht von 50 kg. Die Inschrift lautet (19): "ST. BERNARDE PRAEDICA TOR B.M.V. O.P.N ." (HI. Bernard, Lobredner der Gottesmutter, bitte für uns. d. Verf.). "GESTIFTET VON WILHELM KALFF ZUM 75. GEBURTSTAG 1952". Auf der Flanke befindet sich ein Bild des heiligen Bernard.

Als die Firma Mark die von Wilhelm Kalff gestiftete Glocke aufgehängt hatte, schenkte er der Firma eine große Kiste Verbandstoffe. Ein Angehöriger der Firma Mark, der damals als Lehrjunge dabei war, erinnerte sich 1990, als anläßlich eines Handwerkermarktes die Rede auf die Glocken in Rheder kam, noch genau an die Geschehnisse von 1952; er erzählte, das Verbandzeug habe drei Jahre gereicht.

In der Zeit von genau 50 Jahren hat das kleine Dorf Rheder fünf Glocken für seine Kapelle angeschafft und außerdem durch glücklichen Zufall und geschicktes Handeln die kleine Behelfsglocke erhalten. Jede dieser Glocken hat ihre eigene kleine dörfliche Geschichte. Dass die drei ersten Glocken zwei Kriegen sinnlos zum Opfer fallen mussten, ist eine traurige Bilanz, die im kleinen deutlich das allgemeine Zeitgeschehen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts spiegelt. Im Blick auf die beiden vorhandenen neuen Glocken von 1952 darf man daher dankbar feststellen, dass sie nun schon länger im Dorf läuten als die drei untergegangenen alten es konnten. Mögen sie in Friedenszeiten noch viele Jahre erklingen in Rheder vom Turm der Kapelle der Mutter vom Guten Rat.


Kirchenbauverein Kreuzweingarten-Rheder


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