200 Jahre Pfarrei Hl. Kreuz - „Kreuz“-Weingarten - 1804 - 2004
Chronik und Kirchenführer - von Hermann Josef Kesternich













Altes durch Neues bereichern
Zum Geleit - Pastor Nobert Prümm
“Kreuz“-Weingarten - Relikt aus der Franzosenzeit
Zur Geschichte und Ausstattung der Pfarrkirche Hl.Kreuz
Das Ensemble des Hochaltars
Das Langhaus
Das Seitenschiff
Glasmalerei
Glocken
Liste der Pfarrer von Kreuzweingarten
Nutzung des Pfarrhauses seit 2003
Situation der Pfarrei im Jahre 2004
Priester aus der Familie Everhard Schmitz und Barbara geb. Kessels
Kreuzweingartener Anekdoten
Literatur und Anmerkungen











„Kreuz"-Weingarten - Relikt aus der Franzosenzeit
Eine Pfarrgemeinde feiert den 200. Jahrestag ihrer Namensgebung











Während der vorübergehenden Eingliederung der Rheinlande in das französische Staatsgebiet (1794-1814) erlebten die Rheinländer in ihrer Grenzlage eine historische Epoche, die sie nicht mit allen Deutschen geteilt haben. Im Streben nach natürlichen Grenzen hatten die französischen Revolutionsführer den Rheinstrom zur Ostgrenze Frankreichs proklamiert und die alte Ordnung der großen und kleinen linksrheinischen Herrschaften über den Haufen geworfen. Staatliches und kirchliches Miteinander wurde entflochten und nach innerfranzösischem Vorbild neu gestaltet. Die Eingriffe in die Religionsfreiheit jedoch trafen teilweise auf erbitterten Widerstand der Bevölkerung. Der Befehl der Munizipalverwaltung des Kantons Zülpich, die Religions- und Feudalzeichen in allen Gemeinden zu entfernen, wurde einfach ignoriert und der Chronist des Sitzungsberichtes vom 13. August 1798 stellt fest, dass man für diese Tätigkeit „nicht einmal Werkleute für Geld hat bekommen können.1) Trotz Androhung schwerster Strafen fühlte sich das Volk noch immer den überlieferten Ordnungen verbunden und der Kommissar des Kantons, Krüppel, ein in Zülpich ansässiger, aus Münstereifel stammender Arzt, klagt: „Vor allem sind es Zülpich und Euskirchen, die beiden Kleinstädte meines Kantons, wo es verstockte Aristokraten gibt, wo Mönche und Priester immer noch ausschließlich die Herrschaft innehaben, wo die einfältigste Bigotterie an der Tagesordnung ist.“ 2) Anfang 1799 blickt J.J. Vossen, Kommissar bei den Kölner Gerichten, mit Sorge auf die Entwicklung im Kanton Zülpich und vermutet hinter dem religiösen Vorwand einen Anlass zur Rebellion). 3) Bis Dezember 1799 hat sich an der Haltung der Bevölkerung nichts geändert; vereinzelt wurden wieder Kreuze errichtet und die Munizipalverwaltung benachrichtigte alle Bürger, dass sämtliche Wallfahrten und Prozessionen zu unterlassen, öffentliche Religionszeichen wegzunehmen und keine religiösen Bräuche auszuüben seien, außer in den für den Kultus bestimmten Gebäuden. 4)


Barockes Friedhofskreuz von 1782

Die unnachgiebige Haltung der Franzosen beeinträchtigte das Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung nicht unwesentlich, und viele, die die Ideen der Revolution nicht ablehnten, wurden durch die Intoleranz abgeschreckt. Erst die Milderung der Bestimmungen unter Napoleon konnte den Unmut allmählich besänftigen.

Durch das Konkordat, das der Erste Konsul der Franzosen 1801 mit Papst Plus V I I. aushandelte, wurde die Säkularisation im Rheinland zwar festgeschrieben, doch die Bestimmungen den Kultus betreffend wurden gelockert, was sich in der Einführung regelmäßiger Gottesdienste, der Aufhebung des Verbots von kirchlichen Feiern und Prozessionen zeigte. Die Masse der eingezogenen Kirchengüter wurde verkauft und diente der Finanzierung der völlig neu zu gestaltenden Kirchenorganisation. Analog zur Zivilverwaltung wurde der Hauptort des Roer-Departements Aachen auch Bischofssitz, das Erzbistum Köln hatte aufgehört zu existieren.


An der Spitze des neuen Bistums, das neben dem Roer- auch das Rhein-Mosel Departement mit dem Hauptort Koblenz umfasste, stand mit dem Elsässer Marcus Antonius Berdolet ein deutschsprachiger Oberhirte, dessen Aufgabe darin bestand, den Gläubigen die regelmäßige Teilnahme an Gottesdiensten zu ermöglichen und die äußere Organisation des neuen Bistums aufzubauen. Für die Bischofsernennung hatte Napoleon das Ernennungs-, der Papst das Bestätigungsrecht. Die Priesterernennung lag beim Bischof und bedurfte der zivilbehördlichen Genehmigung.

Bei der äußeren Organisation der Neuordnung stützte sich Berdolet auf die im zivilen Bereich schon durchgeführte Einteilung. 5) Bei der ersten Umschreibung der Pfarrgrenzen aus dem Jahre 1802 hatte jeder Kanton eine Hauptpfarrei, die am Kantonshauptort sein sollte und an deren Spitze ein Cure (Pfarrer) war.

Die übrigen Kirchen im Kanton waren Sukkursalpfarreien (Filialkirchen) mit Desserventen, das sind Pfarrvikare als Vertreter des Pfarrers, als geistlichen Leitern. Bei der Abgrenzung der einzelnen Pfarrbezirke wurde vereinzelt „die Schaffung von leistungsfähigen Pfarrverbänden" als Motiv für die Ausdehnung von Pfarrgrenzen angegeben, da die Gemeinden für die Kultuskosten aufzukommen hatten.


Marcus Antonius Berdolet

Die Umschreibung von 1802 war kaum durchgeführt, als 1804 auch schon eine weitere angeordnet wurde, die hauptsächlich dem Zweck diente, die finanzielle Situation der Desserventen zu verbessern. Die Sukkursalpfarrer wurden in zwei Gruppen eingeteilt, deren erste vom Staat, die zweite von der Zivilgemeinde bezahlt wurde. Auch wurden die Anliegen der Bevölkerung „in weiterem Umfange als in der ersten Organisation" respektiert, „da zahlreiche Petitionen um Vereinigung mit einer bestimmten Pfarrei durch Erfüllung der dargelegten Wünsche erledigt wurden. 6) In der Sammlung der Präfektur-Akten des Roer-Departements von 1804 beziffert der Staatsrat in einem Erlass die Anzahl der Sukkursalpfarreien des Departements mit 402 Gemeinden, deren Desserventen von der Staatskasse bezahlt werden. Im Friedensgerichtsbezirk (Kanton) Zülpich des Arrondissements Aachen finden sich neben der Pfarrkirche in Zülpich die Sukkursalen Euskirchen, Langendorff, Nemmenich, Roevenich, Frauenberg, Elsig, Loevenich, Enzen, Sinzenich, Schwerfen, Satzfey, Obergartzheim, Wiskirchen, Antweiler, Lessenich und Weiler und unter der Nr. 254 auch „Creutzweingarten." 7) Damit wurde die hiesige Kirchengemeinde zum ersten Mal offiziell Kreuzweingarten genannt.

Das Bistum Aachen veröffentlichte parallel zum staatlichen Erlass ebenfalls die Liste der „Pfarreyen" und „Sukkursalen" samt „Kirchen-Patronen", „Zugehörige Oerter" und die Namen der Pfarrer und Desserventen. Für Kreuzweingarten liest sich das wie folgt: Sukkursale Kreutzweingarten, Pfarrey H. Kreutz, Zugehörige Oerter Kalkar, Broch, Desserventen Müller (Johann J.). 8)

Über die Gründe der Namenserweiterung ist nichts bekannt. Zu vermuten wäre, dass durch diesen offiziellen Akt dem Patronat der Kirche und der seit Menschengedenken bestehenden Verehrung des Hl. Kreuzes in Weingarten Rechnung getragen wurde. In eben demselben Jahr 1804 kamen durch den Trierer Domkapitular und ersten Generalvikar des Bistums Trier Peter Josef Ignatius von Hontheim zwei kleine Splitter einer größeren Trierer Kreuzreliquie nach Kreuzweingarten. 9)

Nachdem die Rheinlande 1815 in preußischen Besitz kamen, ging der Bistumssitz von Aachen nach Köln zurück. 1827 findet sich die Pfarrei „Creuzweingarten" im Kreis Lechenich und im Dekanat Euskirchen wieder. Pfarrer Hubert Vogt betreut neben seiner Pfarrei die „Capellen zu Billig und Kalker", die sich in seinem Pfarrsprengel befinden. 10)

Die Namensumbenennung der Pfarrei „Weingarten" in „Kreuz"-Weingarten während der Zeit der französischen Okkupation der Rheinlande hat die Zeiten überdauert und ist eines der vielen Mosaiksteinchen auf der Spurensuche nach Überbleibseln aus der napoleonischen Ära in unserer Region. Erst 1926 vollzog die Zivilgemeinde die Namensangleichung.


Pet.Jos.Ign. von Hontheim, Generalvikar des Bistums Tirer 1802-1807. Das Todesdatum auf dem Portrait bezieht sich irrtümlich auf den Todestag von Johann Nikolaus von Hontheim, Trierer Weihbischof und Onkel von P.J.I. von Hontheim, der am 2. September 1807 starb.











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