Jubiläumspfarrbrief
750 Jahre Rheder |
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Zum Geleit -
Pastor Dr. Peter H. Irrgang |
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Das Pfarrbüro und seine Chefin |
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Wer hat nicht schon einmal Mäuschen spielen wollen? Ob solche Träume wirklich gut sind, weiß ich nicht. Ich träume jedenfalls nicht davon - ich bin eine Maus. Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Raton. Ich bin die Maus vom Pfarrhaus. Genau genommen wohne ich über der Stuckleiste im Pfarrbüro. Mein Leben ist ziemlich aufregend, denn leider habe ich nicht die ruhigste Ecke der Welt erwischt.... Wenn es Euch nicht zu sehr langweilt, will ich Euch von meinen Erlebnissen erzählen. Also, als ich zum Pfarrgarten kam, hatte ich schrecklich viel Angst; im Hof paßt die Hündin Perra auf und poltert sofort los, wenn man sich ihr nähert. Später habe ich einen toten Maulwurf in der Wiese gesehen und hatte erst recht Angst. So haben wir uns zu etwa zehn Mäusen zusammengeschlossen und stürmten über den ehemaligen Schafstall die gut bewachte Burg. Einmal im Dachboden über der Waschküche, konnte uns der Hund nichts mehr anhaben. Manche blieben dort oben. Später erzählten sie mir, die Meßdiener hätten dort oben übernachtet. Einer aber sei beim Anblick von zwei Mäusen getürmt und nach Hause gelaufen. Ich glaube das aber nicht, denn welcher Meßdiener hat schon Angst vor Mäusen? Ich jedenfalls hatte einen Platz über dem Pfarrbüro sicher. Meine kleine Cousine fand ein tolles Versteck im Zimmer des Pastors und könnte Euch noch viel mehr Geschichten erzählen als ich. Aber vielleicht kann sie Euch die Erlebnisse später selber einmal erzählen. Im Pfarrbüro ist es sehr schön gewesen. Immer gute Luft und frische Blumen. Und immer etwas los. Schon morgens um 6.30 Uhr geht die Haustür auf. Der Pastor holt die Zeitung und geht frühstücken. Oft werkelt er dann im Pfarrbüro herum, bevor er in die Kirche geht. Von dort kommt er nach einer halben Stunde wieder, wenn ihn die Kinder an der Haltestelle ins Haus lassen. Manchmal hat er es schrecklich eilig, Kopien zu machen vor Beginn der Schule um 8.00 Uhr. Der Kopierer braucht aber auch wirklich viel Zeit zum Warmwerden.
Dann jagen etliche Kopien durch die Maschine. Diese und einige Bücher wandern flugs in eine Aktentasche, und schon ist die Tür auf, Autoreifen quietschen, und endlich wieder Ruhe. Doch zum Schlafen keine Zeit! Frau Gabrielis, die Sekretärin, kommt fünf vor acht ins Haus. Ich hatte mir Erzengel anders vorgestellt. Nicht so zierlich. Aber jetzt muß ich still bleiben: mucksmäuschenstill, das kann ich ja, das ist mir angeboren. Frauen erschrecken sich immer so vor uns. Ich bleibe ganz still und höre: der Tisch wird aufgeräumt. Klar, der Pastor läßt auch immer so viel Unordnung liegen, wenn er um Mitternacht aus dem Sekretariat ins Bett schlurft. Arme Sekretärin. Auf Zetteln sind Hinweise - viele Zettel. Die Schrift kann sie kaum entziffern: "Bitte um 8.05 Uhr Regina wecken," höre ich sie buchstabieren. Dann: "Um 8 Uhr in der Schule anrufen, daß ich später komme. Muß noch einen Umweg über's Krankenhaus machen. Engels geht es nicht gut." Ich gucke auf die Uhr und grinse. Aber ganz leise. Die anderen Zettel verstehe ich kaum. Hauptsächlich Termine ausmachen oder ändern. Nach einer Pause höre ich Frau Gabrielis Telephonate führen - gehen mich nichts an - Mäuse im Pfarrbüro sind diskret. Dann höre ich sie an der Schreibmaschine. Sie tippt. Was, das kann ich nicht hören. Wird schon was sein; Pfarrbrief oder Kinderpfarrbrief, Mitteilung an die Firmlinge oder eben, was so zum Tippen anfällt. Dann höre ich den Staubsauger näher kommen. Frau Fuchs ist heute da, die putzt nämlich zweimal die Woche. Ist wohl im Jugendheim tätig, erzählen mir ein paar entfernte Verwandte. Wir Mäuse kommen ja herum. Komisch, noch hat keiner angerufen. Aber da klingelt es schon: "Nein, ist noch nicht hier, in einer Stunde können Sie ihn erreichen." Dann klingelt jemand an der Tür. Frau Nichdoch möchte fragen, warum die von ihr bestellte Messe nicht verkündet wurde. Die Sekretärin schaut nach: "Aber die ist doch erst in einem Monat dran." "Ach so. Ja, dann möchte ich noch für 1991 zwei Messen bestellen. Kann ich auch für 1992 vorbestellen?" Inzwischen kommt der Postbote. Herr E. will eine Kopie machen, Frau K. gibt die Termine für den Seniorenclub ab (müssen aber noch kopiert werden), zwei Zeugen Jehovas geben sich als Freunde des Pastors aus, Perra kommt herein und leckt ihre Gesichter ab (Frau Riegel, die Haushälterin, hatte die Hoftür vergessen zu schließen), schließlich noch ein Telephonat. Dann sind alle wieder draußen. Ich bekomme Hunger und laufe zum Speicher. Ich war wohl etwas unaufmerksam laut. Frau Gabrielis ist erschrocken. Ich muß doch etwas besser aufpassen. Bin wieder zurück. Es duftet drüben nach Kaffee. Der wartet auf den Pastor. Wird auch Hunger haben. Wo er heute nur bleibt? Frau Gabrielis hat schon fünfmal in den Hörer hineingetröstet: "In einer Stunde." Jetzt geht der Schlüssel in der Tür. Er ist da: "Guten Morgen." Der Pastor hatte viel zu besprechen mit Herrn Ringsherum, und nun sei er ja da, meint er. Dann geht er endlich etwas essen. Frau Gabrielis hat wohl noch Fragen, aber die kommen jetzt noch nicht durch. Sie lächelt dann seufzend und vergebend. Es klingelt wieder. Herr Nimm ist da und will auf Herrn Pebach warten. Der Marienaltar soll besprochen werden. Der Pastor hört's, und schon sitzen sie im Auto. Hat er gefrühstückt oder nur so getan? In zwanzig Minuten seien sie wieder da. Es stimmt sogar fast.... Inzwischen ist Frau Gabrielis mit dem Tippen weitergekommen. Jetzt setzt sich der Pastor hin und wartet auf den Bericht und die Fragen: "Ja, das Brautgespräch Engels-Teufels kann nicht am Freitag sein. Ich habe es auf Samstag vor die Frühmesse gelegt. Sonst ist kein Platz mehr. Der Dechant wartet auf Ihren Rückruf. Drüben in Ihrem Zimmer wartet Herr Verloren auf Sie. Herr Schön kommt gleich wegen Unterschriften. Haben Sie den Artikel für den Seniorenpfarrbrief schon fertig?" Dann kommen zwei vertrauliche Informationen. Nun denkt der Pastor laut nach: "Die Firmtagung in Steckenborn muß noch vorbereitet werden. Bitte notieren: Taufbescheinigungen der Firmlinge, Stammbücher, Paten, Merkblätter. Dann noch die Chorleiter zur Besprechung einladen. Dazu den Vorsitzenden vom PGR (Pfarrgemeinderat). Vielleicht noch Paula. Die Sternsingerhefte können bestimmt die Kinder heute nachmittag sortieren, den Kinderpfarrbrief schreibe ich heute mittag. Dann kopiert Blandine sie. Die kommt bestimmt. Wenn Anastasija kommt, kann sie schon die Bilder sortieren. Die kleine Bärin bringt nachher noch Dias. Frau Rechen anrufen wegen Meßdienerplan. Der muß noch kopiert werden. Aquino kann sie heute nachmittag verteilen...." Ich höre nicht mehr zu. Mir dröhnt der Kopf. Doch unter mir scheinen alle gute Laune zu haben. Jedenfalls lachen die.... Dabei wird die Post besprochen: die Plakate bekommt Prinzessin, Einladung an die Meßdiener an Frau Laupütz, die Frauengeschichten an Frau Nehmertz, usw. Dann geht der Pastor in sein Zimmer. Frau Gabrielis ist jetzt wieder allein. Dann kommen noch hintereinander drei Frauen, die alle mit Engelsgeduld betreut werden. Alle gehen zufrieden wieder weg. Frau Schön kommt mit zwei Kindern, dann noch zwei Telephonate, die zum Pastor gestellt werden. Frau Wenzislaw bringt die Kirchwäsche und sagt noch, zwei Birnen täten es nicht mehr und ob noch Meßwein da wäre. Auf den paßt sie seit der Wallfahrt besonders auf. Schließlich will Fräulein Gartenwolf noch einen dringenden Termin. Und so weiter. Eigentlich langweilig. Ich verstehe ja davon nichts. Aber die Leute sind lustig. Und das Klima ist so menschlich, richtig mäuslich. Bin froh, in diesem Pfarrhaus gelandet zu sein. Gestern abend klingelten noch drei Kinder und stürmten das Haus. Ezechiela wollte einen Kaugummi, Silvana natürlich auch. Wie gut, daß der Pastor das mitmacht. Manchmal spielen sie auch Klingelmäuschen. Das finde ich nicht gut: meinen Namen so zu mißbrauchen. Irgendwie ist der Vormittag vorbei. Es wird still. Frau Gabrielis geht - wie immer gut gelaunt - aus dem Haus. Ein Anrufer stört den Pastor beim Essen, dann noch einer. Wie es heute weitergeht? Der Pastor wird noch Brevier beten, in die Kirche gehen oder etwas lesen. Dann kommen bestimmt gleich noch ein paar Jungen, die im Hof spielen wollen; Blandine, Alinne und Colin sind bestimmt auch bald da. Wie gut, daß gleich Frau Kaiser kommt. Die ist immer so warmherzig mit den Leuten, besonders am Telephon. Warum dürfen wir Mäuse eigentlich nicht anrufen? Ich habe doch auch meine Sorgen. Oder soll ich besser schreiben? Ich würde so manches Ungewöhnliche schreiben. Aber vor allem würde ich mich bedanken, hier ein paar Wochen gelebt zu haben. Jetzt heißt es leider Abschied nehmen. Ich sehe es ja ein, für immer wäre ich hier nicht am rechten Platz. Aber ab und zu darf ich wiederkommen und Frau Gabrielis besuchen. Das hat mir der Pastor versprochen. Mehr Geschichten erzähle ich Euch später einmal, wenn ich groß bin. Bis dann.... |
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Jubiläumspfarrbrief 750 Jahre Rheder - Dicker Pfarrbrief der Pfarrei Heilig Kreuz |
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